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Warum beim ÖFB der Sport im Abseits steht

Es ist im Nationalteam selten so wenig über den Fußball gesprochen worden wie in diesen Tagen. Die Aufstellung für das WM-Qualifikationsspiel gegen Serbien (Freitag 20.45 Uhr, live ORFeins)? Irgendwie belanglos. Der Matchplan für das letzte Heimmatch in der Ära Koller? Offenbar bei weitem nicht so wichtig wie das Ergebnis der Zusammenkunft der ballmächtigen österreichischen Herren am Samstag.

"Wir sind nur ein Nebenschauplatz", weiß Kapitän Julian Baumgartlinger, den die allgemeine Endzeitstimmung massiv stört. "Die Stunde null, die da fast im Raum steht, ist nicht notwendig. Wir als Mannschaft und Verband müssen an einem Strang ziehen. Egal, wie. Der sportliche Erfolg muss im Vordergrund stehen. Das geht nur mit Ruhe."

Die Entwicklungen der vergangenen Wochen werfen einige Fragen auf. Der KURIER geht auf Spurensuche.

Warum erklären sich die Spieler solidarisch mit Marcel Koller und Willi Ruttensteiner?

Weil sie in erster Linie erkennen, dass dem Verband in der aktuell so wichtigen Situation die sportlich-fachliche Linie abhanden kommt. Janko und Baumgartlinger wollten als Führungsspieler Stellung beziehen, unterstützt wurden sie dabei vom in der Öffentlichkeit durchaus wirksamen Arnautovic. Für Marcel Koller war es unter Garantie der amüsanteste Lehrgang seiner Ära. Die Lobeshymnen der Fürsprecher versüßen ihm den Abgang. Wobei intern sehr wohl angesprochen worden war, dass die fehlende Weiterentwicklung des Teams direkt mit dem Teamchef zu tun hatte.

Warum soll Willi Ruttensteiner ebenfalls seinen Sportdirektor-Posten räumen?

Es gilt das Motto: Mitgehangen, ist mitgefangen. Der Tenor bei den Entscheidungsträgern lautet: Wenn Willi Ruttensteiner schon die sportliche Kompetenz für sich reklamiert und in der ÖFB-Hierarchie über dem Teamchef stehen will, dann müsse auch sein Schicksal mit dem Teamchef verknüpft sein. Intern wird reklamiert, dass sich die Nationalmannschaft in den vergangenen zwei Jahren nicht weiterentwickelt habe.

Was wird dem ÖFB-Sportdirektor konkret vorgeworfen?

Die Aufarbeitung der EURO in Frankreich sorgte nicht nur öffentlich für heftige Kritik. "Das war eine völlige Nicht-Analyse", monieren Landespräsidenten, die sich durchaus wundern, dass Ruttensteiner keinen Gegenwind von der Mannschaft verspürt habe. Denn der Oberösterreicher habe die Schuld am schlechten EM-Abschneiden in erster Linie den Spielern in die Schuhe geschoben. "Alles andere war angeblich perfekt. Das Quartier, die Vorbereitung." Auch mit der Eitelkeit des Sportdirektors konnten sich immer weniger Funktionäre anfreunden. Im internen Diskurs wurde Ruttensteiner schon einmal um die Ohren geworfen, dass er ein "Narziss" sei. Dem gegenüber steht die Einschätzung der Mannschaft. "Er hat bewiesen, dass er seine Analysen fachlich auf den Punkt bringt", sagt Kapitän Julian Baumgartlinger.

Kann die Solidaritätswelle die Entscheidung der ÖFB-Granden doch noch beeinflussen?

Das klare Bekenntnis einiger Führungsspieler zu Koller und Ruttensteiner bringt das Präsidium jedenfalls in Erklärungsnot. Denn ausgerechnet jene Personen, denen gerne die fehlende sportliche Kompetenz abgesprochen wird, begründen die Personalrochade stets mit sportlichen Gesichtspunkten.

Wird das geplante Team-Trainingslager im November stattfinden?

Offiziell steht das einwöchige Camp zwar noch im ÖFB-Kalender, in der Führung zweifelt man aber an der Sinnhaftigkeit, Marcel Koller mit der Mannschaft noch einmal ins Trainingslager zu schicken.

Das Camp würde wohl nur dann Sinn machen, wenn bis zu diesem Zeitpunkt bereits ein neuer Teamchef gefunden wird. Kapitän Baumgartlinger stellt klar: "Dieser Termin ist das einzig Positive an unserer verpassten WM-Qualifikation. Nur deshalb haben wir jetzt die Möglichkeit ein Camp durchzuführen. Das sollten wir nützen."

Warum ist Marcel Koller noch Teamchef?

Einerseits aus Kostengründen, andererseits wollte man unbedingt vermeiden, dass Kollers Nachfolger in den verbleibenden beiden Partien bereits verheizt wird. Zudem hat aktuell im ÖFB die Sportdirektor-Frage oberste Priorität. Bevor diese Personalie nicht geklärt ist, macht die Bestellung eines Teamchefs keinen Sinn. Für die Nachfolge von Willi Ruttensteiner wurde U-19-Teamchef Peter Schöttel von einigen Landespräsidenten in Position gebracht.

Was muss der neue Teamchef mitbringen?

Aus KURIER-Gesprächen mit den Entscheidungsträgern ist herauszuhören, dass sich die Präsidenten in die sportlichen Expertisen gar nicht einmal so sehr einmischen wollen. Ein wichtiger Punkt ist der Kostenfaktor: Marcel Koller ist bekanntermaßen der teuerste Teamchef der ÖFB-Historie. Den Verantwortlichen schwebt eine billigere Lösung vor. Die zentrale Forderung: Bevor ein neuer Trainer gesucht wird, soll erst einmal ein klarer Budgetrahmen bestimmt werden – und nicht umgekehrt. Ein weiterer Wunsch: Es sollen wieder vermehrt Praktiker am Ball sein. Fußball sei keine Wissenschaft, war zuletzt immer wieder zu hören. In Zeiten, in denen freilich in der gesamten Sportwelt die Experten von außen (Videoanalysten, Leistungsdiagnostiker, Psychologen) gefragt und geschätzt sind, würde der Fußballbund damit einen echten Trend setzen. Zurück in die Steinzeit des Fußballs.

Wenn ein Verbandspräsident gegenüber Teamspielern in einer heiklen Situation beteuert, dass ihm die Hände gebunden seien, dann sei die Frage erlaubt, wer denn überhaupt im ÖFB das Sagen hat. Es sind wieder die Präsidenten der Landesverbände, um die es in den vergangenen Jahren recht ruhig geworden war in Entscheidungsfragen. Bis ihnen Windtner für dessen Wiederwahl zum Präsidenten Zugeständnisse machen musste.

Zunächst erfüllte er die Forderung nach der Demontage von Mediendirektor Wolfgang Gramann. Nun kann er seinem oberösterreichischen Landsmann Willi Ruttensteiner nicht mehr entscheidend beistehen. Skandalös, dass es weniger um dessen fachliche Kompetenz als Spordirektor, sondern vielmehr um alte Rechnungen geht, die nun beglichen werden. Eitelkeiten, wohin man schaut.

Den Spielern selbst geht es nicht um eine positive öffentliche Darstellung ihrer Personen, sondern um die sportliche Zukunft, um eine Fortführung der professionellen Arbeit. Teamkapitän Julian Baumgartlinger bat daher Präsident Windtner, das Präsidium mit starker Hand wieder auf Linie zu bringen. Doch handelt es sich bei Windtner aktuell nicht eher um einen zahnlosen Leo, wenn ihm die Verbündeten und Ratgeber abhandenkommen? Derzeit ist der Oberösterreicher allein in Wien.

(Alexander Strecha)