Nach Schalke-Debakel: Ex-Spieler nennt Schuldigen
Von Mirad Odobašić
Bitte haben Sie Verständnis - es ist nicht mein Niveau, dass ich etwas dazu sage", lautete die Antwort des Sportvorstands von Schalke, Horst Heldt, auf die Twitter-Attacke seines ehemaligen Spielers Jermaine Jones. Der US-amerikanische Teamspieler, der zu Beginn des Jahres zum türkischen Klub Besiktas Istanbul gewechselt war, feuerte noch während des desaströsen Champions-League-Auftritts seines Ex-Klubs daheim gegen Chelsea ein Giftpfeil Richtung Heldt.
Jones hat seinen unfreiwilligen Abschied anscheinend noch nicht verdaut. Sein Vertrag wäre zum Saisonende 2013/14 ausgelaufen, der heute 33-Jährige hätte ihn wohl gerne gänzlich erfüllt - entgegen der Klub-Verlautbarung, dass der Wunsch zur Trennung von beiden Seiten gekommen sei. "Der Vertrag von Jermaine lief im Sommer aus. Dass er jetzt schon freigestellt wurde, kam überraschend für mich und auch für Jermaine in den ersten Tagen. Das ist eine schwierige Situation", plauderte damals Jones' bester Freund in der Mannschaft, Kevin-Prince Boateng, aus.
Der Mittelfeld-Abräumer wurde unter anderem für die sportliche Misere der Gelsenkirchener in der Hinrunde der vergangenen Saison verantwortlich gemacht. Als ein "schwieriger Charakter" würde er das Mannschaftsgefüge ruinieren, hieß es aus Klub-Kreisen. Ob Zufall oder nicht: Nach Jones' Abschied folgte tatsächlich die beste Rückrunde in der Vereinshistorie, am Ende erreichte Schalke sogar einen Champions-League-Platz.
Trügerisches Bild
Dass ein Spieler nicht für die Misere eines ganzen Klubs verantwortlich sein kann, das weiß jedes Kind. Die Schalke-Fans wollten es gerne glauben, denn die Ergebnisse, die nach dem Abschied von Jones folgten, trübten den wahren Zustand, in dem sich der Klub aus dem Ruhrgebiet seit geraumer Zeit befindet.
Der nach der Entlassung von Huub Stevens im Dezember 2012 von der Jugend- zum Bundesliga-Trainer beförderte Jens Keller hatte von Beginn an einen schweren Stand "auf Schalke". Der introvertierte Schwabe sei "zu wenig charismatisch" oder "zu grün hinter den Ohren", um einen so leidenschaftlichen Verein wie Schalke zu führen. Keller tat dies 22 Monate lang, und das recht erfolgreich. In beiden Saisonen führte er den Bundesligisten jeweils in die Champions League, mit einem Schnitt von 1,61 Punkten pro Spiel muss sich der ehemalige Verteidiger vor kaum einem Schalker Trainer verstecken. Dennoch musste er nach einem schwachen Start in die laufende Bundesliga-Saison für den ehemaligen Chelsea-Coach Roberto di Matteo weichen.
Ausgerechnet im Duell mit seinem ehemaligen Arbeitgeber am Dienstag musste der Italiener die erste Heimniederlage in seiner Trainertätigkeit in Gelsenkirchen einstecken. "Schalke muss akzeptieren, dass sie gegen eine viel bessere Mannschaft verloren haben", brachte es Jose Mourinho nach dem Schlusspfiff auf den Punkt. "Das ist so nicht akzeptabel", schäumte hingegen der Mann, der di Matteo in den Ruhrpott geholt hatte, Horst Heldt.
Ambitionen
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man auf Schalke die Verantwortlichen für das Nicht-Erreichen der selbst gesteckten hohen Ziele in höheren Klubebenen zu suchen beginnt. In Fan-Foren ist die These, dass "der Fisch immer vom Kopf stinkt", bereits weit verbreitet. Da Heldt in dieser Konstellation zumindest für den Fischhals steht, werden sich die Diskussionen um seine Schuld an der stark auffallenden fehlenden Konstanz der Mannschaft vermehren.
Seit 2010 ist der gebürtige Schwabe im Klub, nach der Entlassung von Magath übernahm er im Frühjahr 2011 die Rolle des Managers. In seine Amtszeit fallen vier Trainerwechsel (Magath, Ralph Rangnick, Stevens, Keller, Di Matteo) und eine Vielzahl Umwälzungen im Spielerkader. Das Ziel, endlich einen Titel zu holen, hat er trotz verhältnismäßig immenser Investitionen in den Kader, nicht erreicht. Das dürfte sich auch bald nicht ändern: In der Champions League steht man dicht vor dem Aus, in der Bundesliga ist man mit 17 Punkten Rückstand hinter Leader Bayern München nur Tabellen-Siebenter, im Cup kam gegen Drittligist Dynamo Dresden das frühe Aus.
Übrigens, Jones hat seinen "Hass-Tweet" zwar nach zwanzig Minuten gelöscht, der These, er habe seinen kritischen Tweet deshalb flink wieder gelöscht, weil ihm seine Äußerung leidtat, widersprach der Ex-Schalker bereits. Auf eine entsprechende Mutmaßung des Fußball-Portals goal.com reagierte Jones umgehend per Twiter: "@GoalDeutschland tat mir nicht leid macht ein(en) nur traurig."