Sport/Fußball

Der laute Ruf der Pflicht im ÖFB-Team

Es fällt den österreichischen Teamspielern offenkundig nicht leicht, über die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien zu sprechen. Allein der Gedanke daran lässt bei manchen gleich wieder die Enttäuschung über die verpasste Qualifikation hoch- kommen. Natürlich werde er die WM verfolgen, das gehöre ja sozusagen auch zur Pflicht eines Fußballprofis, versichert Sebastian Prödl, "aber offen gesagt ist es mir eigentlich völlig egal, wer Weltmeister wird."

Auch György Garics lässt das anstehende Turnier in Brasilien kalt. Der Italien-Legionär hat derzeit genug andere Sorgen. Im Teamtrainingslager in Seefeld erreichen den 30-Jährigen fast täglich neue Horrormeldungen und Schreckensszenarien aus Bologna. Nach dem Abstieg aus der italienischen Serie A, der laut Garics "wegen der Leistungen der Mannschaft und der Fehler des Vereins verdient war", ist die sportliche Zukunft des Traditionsklubs mehr als ungewiss. "Kann sein, dass der Verein in Konkurs geht", erzählt Garics, "kann aber auch sein, dass Bologna ganz von der Landkarte verschwindet. Im Moment weiß keiner genau,wie es dort weitergeht."

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Für Garics – wie auch für die anderen Absteiger wie Almer (mit Cottbus in die 3.Liga), Pogatetz (mit Nürnberg in die 2.Liga) und Hinterseer (mit Innsbruck in die 2.Liga) – ist die Zeit beim Nationalteam daher eine echte Wohltat und eine willkommene Abwechslung. "Das positive Gefühl ist jetzt da", sagt der Routinier.

Kampfansage

Garics nimmt ab sofort sich und die österreichische Nationalmannschaft in die Pflicht. Die Zeiten der Hättiwari-Erfolge, der Konjunktiv-Konjunktur und des Zweckoptimismus müssen ein für alle Mal vorbei sein, fordert der Außenverteidiger. "In den letzten Jahren haben wir immer darauf gehofft, dass wir uns für ein Turnier qualifizieren könnten, wenn alles gut gehen würde. Jetzt gibt es eine andere Erwartungshaltung, auch innerhalb der Mannschaft. Wir Spieler sagen: ‚wir müssen und wir wollen in zwei Jahren bei der EM dabei sein.‘"

Voraussetzung dafür ist laut Garics allerdings ein weiterer Entwicklungsschritt der Nationalmannschaft bis zum EM-Qualifikationsstart am 8. September mit dem Heimspiel gegen Schweden. Mehr Kaltblütigkeit vor dem Tor ist genauso gefragt wie mehr Cleverness im Defensivverhalten. "Nehmen wir zum Beispiel die Spiele gegen Schweden oder auch gegen Uruguay", sagt Garics. "Wir haben beide Partien gut begonnen, aber dann passieren uns Fehler und Unkonzentriertheiten. Da geht’s einfach darum, dass man vielleicht einmal zur richtigen Zeit ein taktisches Foul im Mittelfeld macht oder auch einmal den Ball auf die Tribüne drischt, um sich wieder sortieren zu können."

Aber auch wenn die Österreicher die Empfehlungen von Garics beherzigen; auch wenn das EM-Teilnehmerfeld von 16 auf 24 Teams aufgestockt wurde; auch wenn die ÖFB-Spieler sich fast alle im besten Fußballalter befinden – "die Qualifikation wird sauschwer", weiß Garics. "Aber wenn wir es diesmal nicht schaffen, dann wäre es ein Scheitern."

Seefeld ist geradezu ein Paradies für Fußballer, die in der Öffentlichkeit nicht gerne für Erinnerungsfotos posieren oder Autogramme geben. Die meisten Touristen, die den einstigen Olympiaort beehren, haben die Spiele 1964 schon als Erwachsene erlebt und können mit dem Fußball und der bevorstehenden WM wenig anfangen. Dafür kann man hier in den Straßencafés im Zentrum schon einmal Ohrenzeuge werden, wenn ein feiner Mann aus der Heimat des österreichischen Teamchefs via Telefon schnell einmal eine Kupfermine in Brasilien loswerden will.

Für den Seefelder Geldadel haben die österreichischen Teamspieler keine Augen. Sie pendeln im letzten Vorbereitungscamp vor der EM-Quali praktisch nur zwischen dem Trainingsplatz und dem Mannschaftshotel hin und her.

Marcel Koller ist jedenfalls angetan von der Stimmung innerhalb der Mannschaft und vom gesunden Konkurrenzkampf. Nach den Ausfällen von Alaba, Fuchs, Harnik und Kavlak wittern einige Reservisten und Talente ihre Chance. "Du kannst als Teamchef ruhiger schlafen, wenn du weißt, es sind nicht nur elf Spieler da", sagt Koller, " es geht auch darum, dass die Neuen den Stammspielern auf die Füße steigen und ihnen Dampf machen. Wir brauchen immer Alternativen, sonst sind sich die Spieler zu sicher oder lehnen sich zurück."

Innsbruck mag ja mittlerweile vielleicht kein gutes Pflaster für Profifußball mehr sein – drei Abstiege in den letzten zwölf Jahren – für die österreichische Nationalmannschaft ist das Tivolistadion hingegen ein fruchtbarer Boden. Innsbruck ist der einzige Spielort in Österreich, in dem das Nationalteam noch ungeschlagen ist, die Erfolgsbilanz in Zahlen: neun Spiele, sieben Siege, zwei Unentschieden.

Für das Testspiel am Freitag gegen Island (20.30 Uhr, live in ORFeins) sind bereits 8000 Tickets weg – deutlich mehr als bei Heimspielen des FC Wacker – am Montag reisen die Österreicher dann aus Innsbruck zum Match gegen Tschechien nach Olmütz.