Fahne mit Folgen: Eine Drohne brachte Gewalt
Fußballspiele wurden schon öfters durch politische Aktionen gestört. Die beim EM-Qualifikationsspiel Serbien – Albanien gewählte Variante ist allerdings neu.
Kurz vor dem Pausenpfiff war eine Drohne per Fernsteuerung mit der großalbanischen Fahne ins Belgrader Stadion geschwebt, die 3500 serbischen Polizisten waren machtlos. Der serbische Spieler Stefan Mitrovic riss daraufhin die an der Drohne hängende Fahne an sich und wurde dafür prompt von albanischen Kickern attackiert.
Als Folge stürmten serbische Fans das Spielfeld, die Albaner flüchteten sich unter Tritten in die Kabine. Das Spiel musste beim Stand von 0:0 vom englischen Referee abgebrochen werden.
Mehr Gewalt auf den Tribünen blieb wohl nur aus, weil keine Albanien-Fans anreisen hatten dürfen. Während diesmal die Provokation von albanischer Seite ausging, waren in den vergangenen Jahren vor allem serbische Fans für Ausschreitungen verantwortlich.
Die Konsequenzen durch den europäische Fußballverband UEFA werden heftig sein, es muss für die Strafen beim bereits eingeleitete Verfahren aber der Sonderbericht des Schiedsrichters und der offiziellen Spielbeobachter abgewartet werden. UEFA-Boss Michel Platini meint: "Diese Szenen sind unentschuldbar.“ FIFA-Präsident Sepp Blatter hielt fest: „Ich missbillige zutiefst, was in Belgrad geschehen ist.“
Neuauflage in Wien
Von Migranten gegründete Klubs haben in Wien Tradition. So wie türkischstämmige („Besiktas Wien“) gibt es den SC Kaiserebersdorf-Srbija und den SV Albania.
Am 9. November treffen die beiden Teams in der 2. Landesliga (5. Liga) aufeinander. Srbija-Obmann Srdjan Stokic betont: „Wir möchten die Angelegenheit rein sportlich über die Bühne bringen und uns zuvor mit dem Vorstand von Albania zusammensetzen. Wir wissen nicht, wer kommt. Es gibt immer Depperte“, befürchtet der Klubchef auch den Andrang serbisch- und albanisch-stämmiger Wiener, die das Spiel womöglich als Bühne missbrauchen. „Wir müssen vorbereitet sein.“
Befürchtungen, die Spieler könnten sich auf dem Platz bekriegen, habe er aber ebenso nicht wie Albania-Spieler Ambroz Mala, der 1999 mit seiner Familie aus dem Kosovo nach Wien geflüchtet ist: „Ich kenne die Spieler von Srbija schon ewig, wir sind teilweise Freunde und haben im Nachwuchs zusammen gespielt. Es ist unvorstellbar für mich, dass so etwas passieren wird“, sagt der 26-Jährige. Schließlich spielt beim SV Albania auch ein Serbe. Mala sieht die Partie jedenfalls als Chance. „In diesem Spiel können wir zeigen, dass Serben und Albaner auch friedlich miteinander ein Fußballfest feiern können.“
Hohe Weltpolitik und Fußball stießen in der vergangenen Nacht ausgerechnet in Wien-Ottakring zusammen: Dort ist es nach einem abgebrochenen EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien zu Randalen gekommen. In Wien musste ein größeres Polizeiaufgebot anrücken, um die Gruppen auseinanderzuhalten, in Belgrad war es schon zuvor zu Zusammenstößen zwischen serbischen und albanischen Fußballfans im Stadion gekommen.
Aufgrund der Eskalation in Belgrad sammelten sich laut Polizei gegen 21:30 Uhr etwa 50 Albaner auf der Ottakringer Straße und warfen Flaschen gegen ein vermutlich serbisches Kaffeehaus. Es wurden auch Bengalen gezündet. Die Polizei konnte nach eigenen Angaben zu diesem Zeitpunkt die Randalierer vorerst stoppen, eine Stunde später sammelten sich aber mindestens 200 Serben ebenfalls rund um die Ottakringer Straße und versuchten, die inzwischen errichteten Polizeisperren zu durchbrechen.
Um die drohenden Zusammenstöße zu vermeiden, wurden Kräfte der WEGA und der Diensthundeabteilung, die gesamte Bereitschaftseinheit sowie Streifenpolizisten aus allen Wiener Gemeindebezirken in Ottakring zusammengezogen. Darüber hinaus wurden die Ottakringer Straße und umliegende Straßenzüge sowie der äußere Gürtel teilweise für den gesamten Verkehr gesperrt.
Durch die große Präsenz konnte laut Polizei verhindert werden, dass die beiden Gruppen aufeinandertrafen. Kurz vor Mitternacht zerstreuten sich beide Lager. Um Mitternacht herrschte auf der Ottakringer Straße wieder Ruhe, alle Straßensperren konnten aufgehoben werden. Es blieben jedoch Teile der zusammengezogenen Polizeikräfte vor Ort.
Laut einer ersten Bilanz gab es keine Verletzten, es wurde auch niemand festgenommen. Allerdings wurden etwa 30 Anzeigen wegen Verwaltungsübertretungen, etwa nach dem Pyrotechnikgesetz, erstattet. Bezüglich der 14 beschädigten Pkw, darunter auch Polizeiautos, wird noch wegen schwerer Sachbeschädigung ermittelt.
Im Belgrader Stadion war es zuvor auch zu einer brisanten Verhaftung gekommen: Der Bruder des albanischen Regierungschefs Edi Rama ist im Zusammenhang mit dem Abbruch des Qualifikationsspiels festgenommen worden. Olsi Rama habe von seiner VIP-Loge aus eine Drohne mit einer Flagge "Großalbaniens" auf das Spielfeld fliegen lassen, teilte das Innenministerium in Belgrad nach Angaben des serbischen Senders RTS mit. Der Zwischenfall in den Schlussminuten der ersten Halbzeit sorgte für gewaltsame Ausschreitungen im Stadion. Es kam zu einem Handgemenge, nachdem ein serbischer Spieler die Flagge an sich nahm. Auch einige Zuschauer stürmten auf den Platz und griffen vereinzelt albanische Spieler an. Die brisante Partie, zu der keine albanischen Fans zugelassen waren, wurde schließlich beim Stand von 0:0 abgebrochen.
Der nach dem Zwischenfall zunächst festgenommene Rama, der Medienberichten zufolge auch einen US-Reisepass besitzt, wurde kurz danach freigelassen und konnte zusammen mit der Mannschaft nach Tirana zurückkehren. In Belgrader Justizkreisen wurde dies mit dem seit gut einem Monat anhaltenden Anwältestreik erläutert, weshalb Rama nicht in Verwahr genommen werden konnte.
Bruder des Premiers: Nicht für Drohne verantwortlich
Olsi Rama hat wenig später bestritten, für den Vorfall verantwortlich zu sein, der zu den Ausschreitungen geführt hat. "Ich habe nichts zu tun mit der Drohne", betonte Rama am Mittwoch bei seiner Rückkehr in die albanische Hauptstadt Tirana. "Ich verstehe nicht, woher diese Geschichte kommt."
Gespannt war die Lage gleich nach dem Abbruch des Matches auch in der geteilten nord-kosovarischen Stadt Mitrovica. Beiderseits der Brücke, die den nördlichen serbischen vom südlichen albanischen Stadtteil trennt, versammelten sich junge Serben und Albaner. Zu Zwischenfällen kam es laut dem lokalen Polizeichef nicht. Unter verstärktem Polizeischutz wurde in der Nacht Medien zufolge auch die serbische Botschaft in Tirana gestellt, wo sich kurz nach dem Abbruch des Fußballspiels albanische Schlachtenbummler versammelten.
Serbien: "Politische Provokation"
Der serbische Außenminister Ivica Dacic hat den Zwischenfall beim EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien am Dienstagabend als eine "im Voraus geplante politische Provokation" bezeichnet. Serbien trage keine Verantwortung für den Abbruch des Fußballmatches.
Nach den Worten des serbischen Außenministers ist besonders problematisch, dass der Zwischenfall von einem Bruder des albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama ausgelöst worden sei. "All dies hat dem ganzen Ereignis eine politische Dimension verliehen", erklärte Dacic gegenüber der Tageszeitung "Blic". Unter den Zuschauern des Matches in Belgrad war auch der serbische Präsident Tomislav Nikolic.
Die Ausschreitungen überschatten den geplanten Besuch von Ministerpräsident Rama in Serbien. Als erster albanischer Regierungschef will er am 22. Oktober nach Belgrad reisen. Bei den Gesprächen mit dem serbischen Ministerpräsidenten Aleksandar Vucic soll auch der Kosovo eine Rolle spielen. Der mehrheitlich von ethnischen Albanern bevölkerte Kosovo hatte im Jahr 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt, wird von Belgrad jedoch nicht anerkannt. Im April 2013 schlossen Belgrad und Pristina unter Vermittlung der Europäischen Union ein Abkommen zur Normalisierung der beiderseitigen Beziehungen. Serbien, das Kosovo und Albanien wollen der EU beitreten.
Flagge "Großalbaniens" über dem Spielfeld in Belgrad
Fans in Tirana
Der serbische Spieler Stefan Mitrovic griff sich die Flagge
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