Sport/Fußball

Auf die Pfeife: Weniger Fouls, doppelt so viele Elfer bei dieser EM

Seine Einführung und Handhabe ist umstritten und dennoch vermutlich in Stein gemeißelt. Die Rede ist vom Video-Assistant-Referee, kurz VAR. „Das dauert zu lange“, oder „Man kann sich nach einem Tor nicht freuen, weil man nicht weiß, ob es wirklich zählt“, meinen die Kritiker. Zu diesen zählt der Chef der UEFA-Referees freilich nicht. Roberto Rosetti, 53-jähriger Italiener und 2008 in Wien selbst Spielleiter des EM-Finales zwischen Spanien und Deutschland, steht den Unparteiischen bei dieser Europameisterschaft vor. Rosetti beerbte 2018 in dieser Funktion seinen Landsmann Pierluigi Collina, der nach wie vor beim Weltverband FIFA am Wort ist.

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„Unser Ziel ist, den Fußball so zu lassen, wie er ist“, sagt Rosetti und betont: „Wir müssen die richtige Balance finden mit Eingriffen des VAR.“ Geht es nach ihm, so ist das bisher bei dieser EM freilich gelungen. Demzufolge präsentierte der Schiri-Boss nach der Gruppenphase auch einige Zahlen, um die Aufgabe des VAR einordnen zu können. Rosetti zieht dabei Vergleiche mit der letzten Europameisterschaft im Jahr 2016, als es noch keinen VAR gab und ihn die Österreicher durchaus hätten brauchen können. Etwa, als im dritten und letzten Gruppenspiel in Paris Marcel Sabitzer vom Isländer Skulason zu Fall gebracht wurde und der fällige Strafstoß ausblieb.

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Doppelt so viele Elfmeter

Im Vergleich mit dem Turnier in Frankreich haben sich etwa die Elfmeterpfiffe verdoppelt. Sieben waren es in der Gruppenphase vor fünf Jahren, 14 diesmal in den jeweils 36 Vorrundenspielen. „Elfmeter sind etwas Wichtiges im Fußball, wir wollen klare Elfmeter, klare Fouls der Verteidiger.“ Leichte, „marginale“ Kontakte sollten nicht geahndet werden, ergänzte Rosetti. Von den 14 Strafstößen wurden übrigens gleich sechs verschossen, zwei davon von den Spaniern.

Umgekehrt finden insgesamt weniger Fouls auf den Plätzen statt. 806 waren es diesmal, im Schnitt also 22,4 pro Spiel. In Frankreich vor fünf Jahren waren es noch 911 (25,3 im Schnitt). „Wir haben den Schiedsrichtern nicht angeordnet, weniger zu pfeifen“, sagt Rosetti. Die Abnahme an Foulpfiffen könne indirekt allerdings mit dem VAR zu tun haben. Etwa, indem die Spieler heute vorsichtiger agieren als noch vor einigen Jahren.

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Damit verbunden ist auch die Anzahl an Gelben Karten von 129 auf 98 gesunken. Rosetti: „Die Spieler verhalten sich jetzt besser auf dem Platz.“ Die Anzahl der Roten Karten ist gleich geblieben: Jeweils zwei gab es 2021 wie schon 2016 in der Gruppenphase.

In Summe sind 179 Vorfälle von den Video-Referees überprüft worden, 91,6 Prozent der Entscheidungen der Schiedsrichter auf dem Platz hätten sich dabei als korrekt herausgestellt. Zwölf Mal musste der VAR korrigierend eingreifen, sechs Mal davon bei Abseitsentscheidungen wie etwa dem Tor von Marko Arnautovic gegen Italien, das zunächst gegolten hatte. Auf die positive Wirkung bei Abseitsentscheidungen ist Rosetti besonders stolz. „Wir können dadurch sagen, dass Abseits kein Thema mehr ist.“ 2016 hatte es etwa im Spiel zwischen Spanien und der Türkei (3:0) noch ein Abseitstor gegeben.

Vor den Bildschirm

Sieben der zwölf Entscheidungen wurden im Laufe der Vorrunde direkt vom VAR berichtigt, fünf Mal wurde der Schiedsrichter im Laufe der Vorrunde vor den Schirm gebeten, wie etwa im Spiel der Österreicher gegen die Niederlande, als David Alaba mit einem Foul an Denzel Dumfries einen Strafstoß verursachte. Pech für den israelischen Schiedsrichter Orel Grinfeld: Er bekam nach der Partie in Amsterdam kein weiteres Spiel mehr und musste die Heimreise antreten. Dafür darf er demnächst wieder um die Welt fliegen und auch bei den Olympischen Spielen in Tokio pfeifen.

Geflogen wird von den ursprünglich 18 Schiedsrichter-Teams ohnehin auch während der EURO viel. Denn die Referees sind während des Turniers nicht etwa im Zentrum des Kontinents beheimatet, sondern in Istanbul, von wo aus sie zu den Spielen nach Glasgow, Kopenhagen, Sevilla oder St. Petersburg fliegen und danach wieder zurück. Immer an Ort und Stelle bleiben indes die Video-Schiedsrichter, die nicht in der türkischen Metropole am Bosporus, sondern in der UEFA-Zentrale in Nyon sitzen und von dort in die Stadien verbunden werden. Bei allen 51 Spielen gibt es jeweils einen VAR und für diesen wiederum zwei Assistenten.