Die Austrianer bremsen sich selbst
Euphorie sieht anders aus: Die Austrianer wirkten am Tag nach dem 2:0 gegen Dinamo Zagreb zufrieden und müde. Nach dem Spiel hatten sie sich an der Bar des Hotels Double Tree noch ein Bier gegönnt, danach fielen sie ins Bett.
Manche wie Florian Mader realisierten gar nicht, dass der Austria eine Sensation gelungen war. „Das alles ist so surreal. Ich weiß noch gar nicht, wie ich damit umgehen soll.“ Trainer Nenad Bjelica kann’s recht sein, hat er doch gleich nach dem Schlusspfiff die Euphoriebremse betätigt und alle Feiernden darauf hingewiesen, dass „erst ein Schritt getan ist. Der zweite wird schwer genug.“ Vor allem, weil Bjelica seine Landsleute gut kennt und weiß, dass sie noch lange nicht aufgeben. Seine Kenntnis des Gegners hat den Wienern zum Sieg verholfen, der Spielplan ist nahezu perfekt aufgegangen. „Ich kenne eben die Mentalität der Kroaten.“
Einheitlich
Selten war die Sprache der Spieler und Funktionäre nach einem 2:0-Auswärtssieg in der Königsklasse dermaßen einheitlich. Eine Kostprobe gefällig? Sportvorstand Thomas Parits: „Jahrelang haben wir dafür gearbeitet. Aber wir sind noch lange nicht durch.“ Heinz Lindner: „Es wäre fatal, zu glauben, dass wir mit einem Bein in der Gruppenphase sind.“ Marin Leovac: „Das wird noch eine harte Aufgabe.“ Marko Stankovic: „Das werden schwere 90 Minuten. Dinamo wird alles nach vorne werfen.“ Bjelica: „Wir haben es jetzt in der Hand. Aber wir müssen bescheiden bleiben.“ Demut kommt vor dem Aufstieg.
Das Hinspiel in Bildern
Für Kaja Rogulj und Marin Leovac hatte der Sieg eine noch größere Bedeutung als für ihre Kollegen. Für Rogulj war es überhaupt der erste Sieg in seiner Karriere gegen Dinamo. „Und dann ausgerechnet in der Champions League, das macht mich stolz.“
Leovac erzielte sein erstes Pflichtspieltor für die Austria und schnappte sich nach Schlusspfiff als Andenken an einen denkwürdigen Abend den Matchball. Noch dazu ist seine Frau aus Zagreb. Kurz vor dem Cup-Finale im Mai hatte Leovac einen neuen Vertrag unterschrieben, an Markus Suttner kam er auf der linken Abwehrseite dennoch nicht vorbei. Das wird wohl auch so bleiben. Bjelica: „Suttner ist die Nummer eins auf dieser Position, er ist auch Nationalspieler. Aber Leo hat gezeigt, dass er mehr als nur eine Alternative ist. Gut zu wissen.“ Leovac wiederum kennt den Grund, warum er trotz Mangels an Praxis wie ein Stammspieler aufgetreten ist: „Du darfst dir einfach nichts pfeifen.“ Nur an Meister-Trainer Peter Stöger ließ er kein gutes Haar: „Das war ein verlorenes Jahr für mich. Dazu stehe ich.“
Erholung
Viel Zeit zum Verschnaufen bleibt den Veilchen nicht, schon gestern Vormittag begaben sie sich nach Bad St. Leonhard, wo die Akkus für das Spiel gegen Wolfsberg am Samstag aufgeladen werden. Es wäre naheliegend und verständlich, wenn Bjelica manchen Spielern eine Pause gönnt, wodurch sich wiederum andere aufdrängen könnten. „Wir haben einen großen, ausgeglichenen Kader, den werden wir im Herbst auch brauchen.“
Vielleicht auch in der Königsklasse Europas.
von VORNAME NACHNAMEHier Textbeginn...
Wie oft kommt es vor, dass Austria-Spieler wie Heinz Lindner oder Philipp Hosiner am Dienstag oder Mittwoch Abend vor dem Fernsehapparat sitzen, und David Alaba – ihrem Kollegen aus dem Nationalteam – in der Champions League die Daumen drücken? Regelmäßig. Am Mittwoch Abend hat sich das Blatt gewendet, als Alaba in seinem Haus im Münchner Vorort Grünwald mit seinem Stammverein Austria mitfieberte und sich später über den 2:0-Sieg gegen Dinamo Zagreb im Play-off-Hinspiel freuen konnte.
Klar, dass Alaba, der mit den Bayern als Titelverteidiger in der Champions League natürlich gesetzt ist, schon an die Auslosung der Gruppenphase denkt. „Sollte die Austria weiterkommen, ist sie natürlich mein Wunschgegner in der Gruppenphase. Es wäre ein Traum für mich, mit den Bayern in Wien gegen die Austria zu spielen.“
Die Auslosung findet nächste Woche Donnerstag (29. August) statt.
Die Generali-Arena wird am Dienstag mit 10.500 Zuschauern ausverkauft sein. Die Austria-Fans wollen dabei sein, wenn sich ihr Verein womöglich im dritten Anlauf zum ersten Mal in der Klubgeschichte für die Gruppenphase der Königsklasse qualifiziert. Gelingt dies, wäre es das letzte Europacup-Spiel in diesem Jahr in der Generali-Arena, weil die Austria in Folge ins Happel-Stadion ausweichen würde. Die letzten Karten werden heute noch abgesetzt. Aus Zagreb werden wohl nur wenige Dinamo-Fans anreisen, die meisten kommen direkt aus Wien.
Die kroatischen Medien sprachen nach dem 0:2 von Dinamo gegen die Austria von einem hausgemachten Debakel. Die Leistung der Wiener wurde geschmälert, Trainer Jurcic noch nach der offiziellen Pressekonferenz gefeuert. Der bei den Fans so umstrittene Dinamo-Präsident Zdravko Mamic posaunte: „Würde ich am Dienstag in Wien auf der Bank sitzen, wir würden über die Austria hinwegfegen.“ Tatsächlich wird aber Zoran Mamic, der Bruder des Präsidenten, Dinamo in Wien-Favoriten coachen.
Erstmals ertönt am Verteilerkreis die Hymne der Champions League. Die UEFA übernimmt schon am Sonntag das Stadion von der Austria und pflastert es mit ihren Logos und Sponsoren zu. Die Vorgaben sind strikt, auch für das geplante TV-Glasstudio von Puls4.
Dinamo warf sofort nach dem 0:2 Trainer Jurcic hinaus. Versteht es der Nachfolger auch nur annähernd, so wie der kroatische Ex-Teamkapitän Niko Kovac als brillanter Sky-Analytiker blitzschnell Stärken und Schwächen zu erkennen, dann ist Austrias Qualifikation für die Königsliga trotz der guten Ausgangslage keineswegs gesichert.
Kovac am TV-Mikrofon, Nenad Bjelica auf der Austria-Trainerbank, Abwehrrecke Rogulj im Strafraum – zu Dinamos Pech haben die falschen Kroaten ihre Aufgaben erfüllt. Ja, Austrias Erfolg wird von Zagrebs Medien ausschließlich der Taktik von Bjelica zugeschrieben, zumal die Kroaten nach wie vor überzeugt sind, dass Dinamo über die viel besseren Einzelspieler verfügt. Ein Blick auf die sportlichen Lebensläufe von Austrianern muss sie so denken lassen.
1:0-Schütze Leovac stand seit Februar nie in der Startelf, 2:0- Schütze Stankovic und Assistgeber Koch verkamen ebenfalls sehr oft zu Bankbeamten und Royer war in Hannover und Köln fast nie erste Wahl. Doch wie verunsicherte Ergänzungsspieler traten sie speziell in Hälfte zwei ganz und gar nicht auf. Wie überhaupt die gesamte Austria mit Selbstbewusstsein und Konditionsstärke beeindruckte. Mit Tugenden, die nörgelnde Experten noch vor zwei Wochen vermisst hatten. Die Erkenntnis nach dem Wunder von Zagreb kann daher nur lauten: Sowohl mit Kritik und – zumindest bis zum Abpfiff des Retourspiels – auch mit Lob etwas zurückhaltender sein.