Sport/Fußball

Deutsche Gründlichkeit bei der EURO

Hoffentlich reist Angela Merkel standesgemäß und nimmt den Hubschrauber. Sonst müsste man sich um die Zahnplomben der deutschen Kanzlerin ernsthafte Sorgen machen: Wer wie Merkel der deutschen Nationalmannschaft im EM-Quartier am Stadtrand von Danzig einen Besuch abstatten will, wird ordentlich durchgeschüttelt. Ein Kopfsteinpflaster der allerübelsten Sorte sorgt für eine unsanfte Ganzkörpermassage.

Zumindest auf der Anfahrt zum feudalen Teamhotel Dwor Oliwski ist der Weg für die gründlichen Deutschen noch nicht geebnet.

Perfektion

Das Kopfsteinpflaster ist aber auch schon das Einzige, was rund um die deutsche Nationalmannschaft nicht glattläuft. Aber einen alten Weg auf einem Kilometer Länge zu asphaltieren, das ist dann selbst für die Perfektionisten vom DFB zu viel des Guten.

Reicht ja schon, dass der Deutsche Fußballbund, der größte Sportverband der Welt, sonst bei dieser Europameisterschaft nichts dem Zufall überlassen hat. Davon kann sich jeder überzeugen, der einmal das Kopfsteinpflaster hinter sich gelassen hat.

Dem DFB genügt es nicht, dass für die Nationalmannschaft in Danzig das Stadion Mosir reserviert worden ist, nein, neben dem Teamhotel wurde auf Verbandskosten eigens für die EM ein neuer Fußballplatz aus dem Boden gestampft. Für den Fall, dass Bundestrainer Joachim Löw sich und seinen Spielern die zehnminütige Busfahrt und das Kopfsteinpflaster einmal ersparen möchte.

Akribie

Georg Behlau ist für diese gründliche Detail­arbeit Made in Germany verantwortlich. Als Leiter des offiziellen DFB-Büros Nationalmannschaft plant und organisiert Behlau für das Team die Turniere. Es ist ein Ganzjahresjob, denn während die deutschen Spieler gerade in Danzig in den Genuss der perfekten Organisation kommen, hat der Büroleiter schon die WM 2014 im Hinterkopf. "Mit den Planungen für die aktuelle EM haben wir auch schon unmittelbar nach der WM 2010 in Südafrika begonnen."

Ein wichtiger Baustein ist dabei stets die Auswahl des richtigen Quartiers. Behlau veranstaltet ein kleines Hotel-Casting, Bundestrainer Löw und Teammanager Oliver Bierhoff treffen nach einer Inspektion die Letztentscheidung. Dabei steht ein Kriterium im Vordergrund: "Die Exklusivität", erklärt Behlau, "wir wollen das Hotel für uns allein haben."

Qualität

Uns – das ist eine exklusive und exquisite Abordnung von knapp 60 Personen. Die 23 Spieler sind dabei in der Minderzahl, auf jeden Fußballer kommen zwei Betreuer. Sogar ein eigener Yoga-Trainer hat die Spieler nach Danzig begleitet, Haubenkoch Holger Stromberg gehört bereits zum Inventar.

Ein weiteres Kriterium bei der Suche nach dem idealen Teamcamp: der strategisch richtige Standort. Dabei geht es dem DFB weniger um die Anfahrt zu den Partien als vielmehr um die Nähe zu Flughafen, Trainingsgelände und Medienzentrum. "Wir sprechen da von maximal zehn, fünfzehn Minuten."

Chefplaner Behlau hat alle Rechte und Pflichten in einem dicken Handbuch niedergeschrieben, dem sogenannten Organisation Manual. In diesen 100 Seiten sind sämtliche Abläufe während der EM notiert. "Wir wissen im Februar schon, welcher Spieler wo im Flugzeug sitzen wird", berichtet Georg Behlau.

Pedantisch? Eine exzessive Form der berühmten deutschen Gründlichkeit? "Wir wollen nichts dem Zufall überlassen", sagt Behlau.

Es reicht ja, dass auf dem Spielfeld oft König Zufall regiert. Und auf den polnischen Anfahrtswegen ...