Sport/Fußball

„Wir sind einen Schritt weiter“

Vor dem großen Duell im 308. Wiener Derby geben Zoran Barisic und Nenad Bjelica dem KURIER ein Doppelinterview. Die Trainer von Rapid und der Austria über Geduld, Druck und gemeinsame Wurzeln auf dem Balkan.

KURIER: Herr Bjelica, gilt mit einem Blick auf die Tabelle für die Austria am Sonntag das Motto ,Verlieren verboten‘?

Nenad Bjelica: Das gilt für uns immer. Aber wir spielen ohnehin auf Sieg. Ich spiele nie auf ein X – egal, ob der Gegner St. Petersburg, Rapid oder Wiener Neustadt heißt.

Herr Barisic, können wir uns demnach auf ein offensiv geführtes Derby freuen?

Zoran Barisic: Die Fans haben schon oft ein Offensivspektakel erwartet und wurden dann enttäuscht. Heute spielen auf jeden Fall zwei offensiv orientierte Mannschaften auf Augenhöhe gegeneinander. Wir wollen von Anfang an dominant sein.

Rapid hat allerdings seit 2010 zu Hause kein Derby gewonnen. Belastet Sie diese Serie?

Barisic: Ich bin doch ständig mit Serien konfrontiert. Jene der sieglosen Serie im Derby haben wir schon gebrochen. Jetzt wollen wir auch zu Hause unbedingt gewinnen. Entscheiden werden darüber Kleinigkeiten.

Es gibt vier Derbys pro Saison. Können Sie einander überhaupt überraschen?

Bjelica: Ich glaube nicht daran. Nur bei den Standardsituationen wäre das möglich, das werden wir zumindest versuchen.

Barisic: Die Bundesliga-Trainer sind heute so gut vorbereitet, dass sie von allen Spielern der Gegner Stärken und Schwächen kennen. Nach dem Winter ist es aber schwerer abzuschätzen, wer in Topform ist.

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Ist die Austria besser als im Herbst?

Bjelica: Wir fühlen uns heute besser. Wir sind körperlich und mental besser vorbereitet auf den Start – also zwei, drei Schritte weiter.

Ist auch Rapid zwei, drei Schritte weiter als im Herbst?

Barisic: Es wäre traurig, wenn ich nicht davon ausgehen würde. Wir sind einen Schritt weiter, auch weil die Jungen einen Sprung gemacht haben.

Welche Parallelen gibt es bei Rapid und der Austria?

Bjelica: Beide hatten gute Europacup-Spiele und schwächere in der Meisterschaft. Bei uns war das durch die Umstände verständlich und bei Rapid durch die vielen jungen Spieler nur logisch.

Wollen Sie kommende Saison auch mehr Junge einbauen? War Ihnen das durch den Druck bisher nicht möglich?

Bjelica: Wenn du zu einem Klub kommst, der Meister ist, setzt du auf die sichere Karte. Es gibt ständig Druck und es wird sofort Erfolg erwartet. Es freuen sich alle über die Europacup-Millionen – es würde aber kein Verständnis dafür geben, wenn du dann keine Punkte machst, weil du mit Jungen experimentierst.

Barisic: Wir haben uns zu diesem Weg mit vielen jungen Spielern entschlossen. Und der wird knallhart fortgesetzt. Es wird aber nur auf den Moment und das Ergebnis geachtet. Der Weg dorthin, um Potenzial abzurufen, interessiert die wenigsten. Geduld ist leider nicht gefragt.

Sind Sie mit der öffentlichen Wahrnehmung unzufrieden?

Barisic: In Österreich ist es generell so, dass viele Menschen davon leben, den Fußball schlecht zu reden. Die Entwicklung des Nationalteams, die Erfolge von drei Klubs im Europacup und die vielen Transfers von Österreichern in Topligen werden dabei gerne vergessen.

Sie beide haben kroatische Wurzeln. Was zeichnet das Kroatische im Fußball aus?

Barisic: Da kann Nenad mehr sagen, weil ich ein serbisch-kroatisches Mischmasch bin. Also ein Ex-Jugo-Wiener.

Bjelica: Ich fühle mich als Kroate, bin aber eigentlich auch ein kroatisch-montenegrinisches Mischmasch. Wir können aber gerne über die Mentalität am Balkan sprechen, die ich auf meine Mannschaft übertragen will: Das heißt Ambition ohne Ende, nicht von der Vergangenheit, sondern für morgen leben.

Barisic: Der riesige Unterschied zu Österreich ist, dass es die Menschen am Balkan wirtschaftlich schwerer hatten und deswegen der Zusammenhalt und der Biss größer sind. Als Folge sind die Teams von dort in Mannschaftssportarten erfolgreich, während Österreicher eher im Einzelsport gut sind.

Bjelica: Hungrige Spieler sind die besten Spieler. Es gibt heute – zum Glück – viele Alternativen im Leben. Bei uns war noch der Sport die Chance auf ein besseres Leben. Ich sehe diese Entwicklung bei meinen eigenen Kindern: Die sind in der Schule sehr gut, aber im Sport müssen sie nicht alles geben.

Konnten Sie den emotionalen Ausbruch von Bjelica nach dem letzten Derby nachvollziehen?

Barisic: Ja, wir sind auch nur Menschen und nicht perfekt. Wir haben Verantwortung zu tragen. Warum darf man nicht einmal explodieren?

Bjelica: Auch wenn es blöd klingt: Dieses 0:1 hatte eine positive Wirkung. Und jetzt haben wir den Kader verändert, weil wir frisches Blut gebraucht haben.

Hat die Austria den besseren Kader als Rapid?

Barisic: Die Austria hat sich schon vor einigen Jahren für einen ähnlichen Weg entschieden, den wir jetzt gehen, und ist mit dem Titel und der Champions League belohnt worden. Die einzelnen Spieler sind wegen dieser Erfahrung weiter als meine. Das sagt nichts über die Qualität.

Fehlt der Reiz, wenn es nur noch um Platz zwei geht?

Barisic: Platz zwei ist für beide Teams wichtig und eine große Herausforderung. Natürlich wollen wir nachhaltig um den Titel mitspielen – aber das braucht Zeit.

Werden sich beide Klubs für den Europacup qualifizieren?

Barisic: Ich hoffe es.

Bjelica: Ich gehe davon aus. Aber Grödig, Ried und – wenn sie gut starten – auch Sturm werden uns einen harten Kampf liefern.

Für Rapid-Coach Zoran Barisic beginnt um 16.30 Uhr (ORFeins, Sky live) das vierte Derby: Im Mai 2011 saß er an seinem 41. Geburtstag beim Platzsturm als Interimstrainer auf der Bank. Zum Debüt als Chefcoach gab es im April ein 2:2. Im Sommer übernahm bei der Austria Nenad Bjelica. Es folgten ein 0:0 und ein 1:0 der Rapidler in Favoriten.

Siegtorschütze Boyd ist gesperrt, Rapid setzt deshalb auf drei flexible Spitzen ohne echten Mittelstürmer. Von den neuen Austrianern debütiert De Paula, Kamara ist noch Ersatz.