Sport/Fußball

130 Jahre Vienna: Tradition, Triumphe und Tränen

Epizentrum eines Unwetter-Infernos war laut Metrologen die Hohe Warte am vergangenen Samstag. „Das ganze Spielfeld stand unter Wasser“, sagt Ex-Nationalspieler Andreas Ivanschitz, darauf hoffend, dass sein Klub zum Jubiläum im  Wiener Zweitliga-Derby am Freitag gegen FAC drei Punkte ins Trockene bringt. Ivanschitz, den Hans Krankl zu Österreichs jüngstem Teamkapitän gemacht hatte, ist Sportdirektor bei Österreichs ältestem Fußballverein. 

Bei der seit Donnerstag 130 Jahre alten Vienna. Gegründet am 22. August 1894 im Döblinger Gasthaus „Zur schönen Aussicht“ ist die Vienna mit ihren Turbulenzen auch zig Jahre vor und nach der Vienna-Präsidenten-Ära des legendären Filmregisseurs Franz Antel immer wieder drehbuchreif gewesen.

1909 wurde die Vereinsauflösung gerade noch abgewendet, nachdem Viennas ganzes Inventar angefangen bei den Tornetzen schon zur Versteigerung angeboten worden war. Im Wunderteam der 30er-Jahre stellte Blau-Gelb (mit Fritz Gschweidl und Pepi Blum) ebenso wie in den WM-Aufgeboten der 50er (mit Tormann Kurt Schmied, Mittelfeldstratege Karl Koller und Mittelstürmer Hans Buzek) die Schlüsselspieler für Rot-Weiß-Rot.

1955 wurde die Vienna zum sechsten und letzten Mal Meister. Später herrschten unter Funktionären so arge Eifersüchteleien, dass der vom Teamverteidiger zum Sektionsleiter gewordene Rudi Röckl als g’lernter Elektriker im Sitzungszimmer klammheimlich eine Abhöranlage installierte, um die Intriganten auszuforschen.

1968 stieg die Vienna erstmals ab. In den 80ern machte Vienna dank Kapazundern wie Hans Krankl, Mario Kempes, Andreas Herzog, Peter Stöger zwischenzeitlich sportlich, später mehr mit suspekten Führungswechseln und 2017 mit einem Konkurs Schlagzeilen.

Immerhin konnte die Verbauung der von Spekulanten so begehrten Hohen Warte vermieden werden. Jener einzigartigen Naturarena im Nobelbezirk, die in der Zwischenkriegszeit die größte Sportstätte auf dem Kontinent war. Einmal gar 90.000 fasste, als es auf dem Nordhang zu einem dramatischen Erdrutsch kam.

Als 1954 die von Fliegerbomben gezeichnete, zunächst von der US-Besatzung nur für Baseballspiele ihrer Soldaten zugelassene Hohe Warte wiedereröffnet wurde, lockten ausverkaufte Vienna-Spiele gegen Rapid 32.000 Besucher an. Und als vor nunmehr auch schon wieder 50 Jahren eine überdachte Tribüne errichtet wurde, entdeckte man eine Granate an der alten Kabine-Baracke, in der sich Generation von Kickergrößen umzogen hatten.

Inzwischen bräuchten die Döblinger eine zweite gedeckte Tribüne (für Gäste-Fans), um die Bundesliga-Auflagen für Erstligaspiele zu erfüllen. Die traditionsreiche Hohen Warte kann somit selbst bei einem Aufstieg Viennas (noch) nicht das sportliche Epizentrum sein.