Sport/Fußball-EM

In der Ruhe liegt die Kraft des Weltmeisters

Natürlich könnte Joachim Löw jetzt der Öffentlichkeit sein Leid beklagen und sich lautstark beim Fußball-Gott beschweren. Darüber, dass seine Mannschaft nach dem Viertelfinal-Erfolg gegen Italien erst um fünf Uhr in der Früh ins Bett kam. Dass sich nach dieser kräfteraubenden Partie mit Mario Gomez, Sami Khedira und Bastian Schweinsteiger drei Spieler verletzt abgemeldet haben. Oder auch darüber, dass Abwehrchef Hummels gegen Italien zu Unrecht eine Gelbe Karte sah und damit nun ebenfalls für das Semifinale am Donnerstag in Marseille gegen Frankreich ausfällt.

Kein Murren

Jeder Fan der deutschen Nationalmannschaft könnte es nachvollziehen, würde der Bundestrainer zu jammern beginnen und sein Team wegen der aktuellen Personalprobleme im Semifinale vorsichtshalber in die Außenseiterrolle drängen. Aber was tut Joachim Löw? Er bleibt die Ruhe in Person und rückt das Thema, das alle deutsche Medien interessiert bis hysterisch verfolgen, komplett ins Abseits. "Verletzungen registrieren wir", meint der 56-Jährige. "Aber das nehmen wir an."

Und damit ist im Grunde alles schon gesagt.

Das Hadern und Murren hat noch nie Joachim Löws Naturell entsprochen. Schon damals nicht, als er beim FC Tirol seiner mühseligen Trainerarbeit ohne Klagen nachgegangen war, obwohl er monatelang kein Geld erhalten hatte. Oder später bei der Austria, als er die Launen des kauzigen Mäzens Frank Stronach mit einer Eselsgeduld ertragen hatte.

Keine Emotion

Die EM in Frankreich ist nun schon die fünfte Endrunde für Joachim Löw. Noch ein jedes Mal hat er mit seiner Nationalmannschaft zumindest das Semifinale erreicht. Und wenn er seit seiner Turnierpremiere als Hauptverantwortlicher (EM 2008 in der Schweiz und in Österreich) eines gelernt hat, dann ist es in hektischen Zeiten die Ruhe zu bewahren und bloß nicht in Aktionismus zu verfallen. "Während des Turniers befinde ich mich irgendwie wochenlang in einem völlig neutralen Zustand, in dem ich meine Emotionen komplett für mich behalte", erklärt Joachim Löw im KURIER-Gespräch. Nicht von ungefähr nennt der Spiegel den deutschen Bundestrainer "Coach Cool", die Süddeutsche Zeitung schrieb zuletzt sogar vom "Bundes-Buddha."

Keine Sorge

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Es sind ohnehin Luxusprobleme, die Löw vor dem Semifinale gegen Frankreich plagen. Wer hoch veranlagte Offensivkräfte wie Mario Götze, André Schürrle oder Julian Draxler in der Hinterhand hat, der sollte den Ausfall von Mario Gomez – für den Stürmer ist die EM nach einem Muskelfaserriss zu Ende – verkraften können. Auch für die verletzten Khedira und Schweinsteiger sowie den gesperrten Hummels wird sich im Kader des Weltmeisters adäquater Ersatz finden. "Wir wissen, was wir tun müssen", sagt Löw nur.

Eines kommt für den Bundestrainer jedenfalls ganz bestimmt nicht infrage. Auch wenn die medizinische Abteilung des DFB auf Hochtouren arbeitet, um Schweinsteiger und Khedira wieder auf die Beine zu helfen – "Spieler, die angeschlagen sind, die nicht hundert Prozent belastbar sind, lasse ich definitiv nicht spielen", betont Löw, der sich bei einem früheren Turnier einmal zu so einer Aktion hinreißen hatte lassen. "Den Fehler mach’ ich nicht mehr."

Kein Verständnis

So kalt Löw die Personalfragen lassen, so verschnupft reagiert er auf die Analyse des ARD-Experten Mehmet Scholl, der die taktischen Veränderungen des Bundestrainers im Match gegen Italien kritisierte. "Das finde ich nicht in Ordnung", polterte Löw. "Man kann ja nicht ins Spiel gehen und sagen: ,wir spielen wie immer, der Gegner ist uns völlig egal.‘ Das wäre fahrlässig, das wäre völlig naiv und unprofessionell."