Sport/Fußball-EM

EM-Anpfiff ist auch ein Start ins Ungewisse

Jetzt wird’s ernst. Ein Ausspruch, hinausposaunt so unbedacht wie häufig, wenn gerade wieder irgendwo Welt-, Europameisterschaften oder Olympische Spiele anstehen. Selten war er so unpassend wie vor diesem EM-Turnier in Frankreich.

Wenn am Freitagabend in Paris mit dem Match zwischen Gastgeber Frankreich und Rumänien die Fußball-EM eröffnet wird (21 Uhr, live in ORFeins, ZDF, SRF zwei), dann hoffen alle inständig, dass es eben nicht ernst wird in den kommenden Wochen.

Als Frankreich vor 18 Jahren das letzte Mal Schauplatz einer Endrunde war, hatte sich das Land so präsentiert, wie es sich gerne selbst sieht – als Grande Nation. Der WM-Titel von Frankreich hatte großen Symbolcharakter und eine enorme Strahlkraft. In dem französischen Nationalteam mit all den Einwandererkindern, illuster, vielfältig, und multireligiös, fanden sich damals alle Franzosen wieder.

Reizklima

18 Jahre später ist von Euphorie und Aufbruchstimmung wenig zu spüren. Vor der EM präsentiert sich das Land in Aufruhr, in den vergangenen Tagen und Wochen legten Streiks der Müllabfuhr, Bahn, Flutlotsen und Mitarbeiter in den Ölraffinerien das öffentliche Leben still. Und über allem steht seit den Anschlägen im letzten Jahr in Paris die dunkle Wolke der Terrorangst. "Die Lage ist kompliziert. Frankreich steckt in einer wirtschaftlichen, politischen und moralischen Krise", sagt Lilian Thuram, Weltmeister von 1998, in der Süddeutschen Zeitung.

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In diesem Reizklima der Verunsicherung und Verbitterung, des Ärgers und der Angst, lastet auf dem Gastgeber der EURO eine noch größere Verantwortung. Der französische Teamchef ist sich darüber im Klaren, was bei dieser Endrunde auf dem Spiel steht. "Ein großes Turnier gibt den Menschen vor allem in einem Land mit sozialen Sorgen die Möglichkeit, zu entfliehen, das Spektakel anzuschauen und die französische Mannschaft zu unterstützen", weiß Didier Deschamps, der 1998 die Franzosen als Kapitän zum WM-Titel geführt hatte.

Aufbruchstimmung

Umso notwendiger wäre ein gelungener Start ins Turnier, im Idealfall mit einem souveränen Sieg gegen den großen Außenseiter Rumänien. "Das erste Spiel ist nicht entscheidend, aber es ist wichtig, weil es den Ton des ganzen Turniers angibt", sagt Didier Deschamps. Für die Stimmung im Land ist diese Auftaktpartie jedenfalls richtungsweisend und könnte die erhoffte Woge der Begeisterung auslösen. "Die Menschen wollen uns gewinnen sehen."

Der französische Fußballverband hat den Einzug ins Semifinale als Minimalziel ausgegeben, viele Experten sehen im Gastgeber den Topfavoriten. Auch wegen hochveranlagter Spieler wie Juve-Star Paul Pogba, der selbst gar nicht einmal so große Stücke auf sich hält. "Ich glaube nicht, dass ich schon ein Großer bin", erklärt Paul Pogba. "Bis jetzt habe ich ja nur Meisterschaften gewonnen, aber keine Champions League, keine WM und keine EM."

Glaubt man der Statistik, dann kann sich das bald ändern: Bei Turnieren im eigenen Land sind die Franzosen unschlagbar. 1984 wurden sie daheim Europameister, 1998 dann Weltmeister.

21 Uhr, Saint-Denis, Stade de France, SR Kassai/HUN

Der französische Teamchef Didier Deschamps setzt auf ein 4-3-3-System mit dem Offensivtrio Griezmann, Giroud und Payet. Die Rumänen suchen ihr Heil in der Defensive – in der EM-Qualifikation mussten die Rumänen lediglich zwei Tore hinnehmen.

2. Spiel der Gruppe A: AlbanienSchweiz (Samstag, 15 Uhr).