Faszination Rugby: Die Welt ist ein Rotationsellipsoid
Von Florian Plavec
In Japan ist die Euphorie ausgebrochen. Bei der Rugby-Weltmeisterschaft ist der Gastgeber erstmals ins Viertelfinale gestürmt. Mit dem Sieg gegen Schottland, der den Aufstieg bedeutet hat, haben die „tapferen Kirschblüten“ eine ganze Nation mitgerissen. Ausverkauft sind die Viertelfinalspiele am Samstag, England gegen Australien (9.15 MESZ) und Neuseeland gegen Irland (12.15), sowie jene am Sonntag: Wales gegen Frankreich (9.15) und Japan gegen Südafrika (12.15/alle Spiele live auf ProSieben MAXX und ran.de)
Doch Rugby begeistert derzeit nicht nur die Japaner. Die Spiele sind ausverkauft, hunderte Millionen verfolgen die WM im TV. „Rugby ist ein Spiel für Rowdys, das von Gentlemen gespielt wird“, ist ein alter Spruch. Doch faszinierend sind auch andere Aspekte dieses Sports.
Rugby hat Tradition. Der Legende nach ist Rugby während eines Fußballspiels in der gleichnamigen Stadt entstanden. Im Jahr 1823 soll William Webb Ellis den Ball mit den Händen genommen und ihn ins Tor des Gegners gelegt haben. Der englische Rugby-Verband wurde 1871 gegründet. Jede WM wird mit der Gil Evans Pfeife angepfiffen. Das Stück war erstmals bei der Partie Neuseeland gegen England im Jahr 1905 im Einsatz.
Rugby ist Fairplay. Fairness ist Teil jedes Rugbyspiels. Eine Verletzung zu simulieren ist tabu. Nur der Kapitän darf „manierlich“ mit dem Schiedsrichter reden, einer absoluten Respektsperson. „Primadonnen haben beim Rugby auch bei den ganz großen Nationen keinen Platz“, sagt Stiig Gabriel, früher Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft. „Auch Rugby-Profis tragen ihr Gepäck immer selber. Und es ist Teil der Rugby-Kultur, dass man die Kabine nach einem Spiel blitzsauber hinterlässt – sogar bei der Weltmeisterschaft.“
Rugby ist für Groß und Klein. Ganz im Gegensatz zum Fußball sind beim Rugby unterschiedliche Spielertypen gefragt. Erste-Reihe-Spieler sind zwischen 1,70 und 1,90 Meter groß und haben bei der WM zirka 130 Kilogramm. Die ganz großen und starken Männer schieben mit ihrer Masse aus der zweiten Reihe an. Dahinter stehen die großen Allrounder. Daneben gibt es die manchmal kleinen, quirligen und schnellen Außenspieler, die den Ball durch die Reihen tragen.
Rugby ist dramatisch. 14:0 für ein Team? Das Spiel ist noch lange nicht entschieden! Zwei Trys mit zwei Erhöhungen (siehe unten) und der Ausgleich ist geschafft.
Rugby ist taktisch. Die Zeiten sind vorbei, als Punkte durch reine Kraftakte erzielt wurden. Die Trainer überlegen sich neue Spielzüge, ein Try wird über mehrere Spielsequenzen aufgebaut.
Rugby macht die Kleinen groß. Fidschi, Samoa, Tonga. Nationen, die im Sport normalerweise keine Rolle spielen, sind im Rugby in der Weltspitze. Gold im Rugby 2016 war die erste Olympische Medaille in der Geschichte von Fidschi. In diesen Ländern ist Rugby Nationalsport. Zudem kommt aber ein weiterer Aspekt: „Die Spieler von diesen Inseln scheinen körperlich wie gemacht für Rugby“, sagt Stiig Gabriel. „Sie sind groß, schnell und stark.“ Und in der Kindheit und Jugend früh entwickelt. Das geht so weit, dass in Neuseeland im Nachwuchsbereich nach Gewichtsklassen eingeteilt wird und nicht nach Alter. Nur dadurch haben die einheimischen Kinder Chancen.
Rugby ist Veränderung. Rugby sieht brutal aus, ist aber streng reguliert. Zudem hat der Weltverband keine Angst vor ständigen sanften Regeländerungen. Da Rugby immer professioneller wird, werden die Stars nun besser geschützt. So werden etwa hohe Tackles bei der Weltmeisterschaft in Japan sofort mit einer roten Karte bestraft. Bei Verdacht auf Gehirnerschütterung muss ein Athlet aus dem Spiel genommen werden, ein Videoschiedsrichter unterstützt den Referee auf dem Feld.
Die wichtigsten Spielregeln
Ein Spiel dauert 2 x 40 Minuten, eine Mannschaft besteht aus 15 Spielern (beim Olympischen Rugby aus 7). Der Ball wird mit der Hand (nach hinten) und dem Fuß (nach vorne) gespielt.
5 Punkte gibt es, wenn ein Team den Ball ins gegnerische Malfeld legt. Das bezeichnet man als „Try“ oder „Versuch“. Nach einem erfolgreichen Try gibt es die Möglichkeit zur Erhöhung. Dabei wird der Ball wie beim Fußball auf das Tor geschossen. Fliegt der Ball zwischen den Stangen und über die Querlatte hindurch wird das mit 2 weiteren Punkten belohnt.
3 Punkte gibt es, wenn der Ball aus dem Spiel zwischen den Torstangen und über die Querstange durchgekickt wird oder wenn ein Penalty-Kick ebenso verwandelt wird.
Wird der Ball mit den Händen nach vorne gespielt, gibt es ein „Gedränge“ („Scrum“). Liegt ein Spieler am Boden, muss er den Ball sofort loslassen.
Nur der Spieler mit dem Ball darf angegriffen (getackelt) werden. Hohes Tackling (gegen den Hals) ist verboten.