Sport

Faszination Radball

Zufall, was sonst? Das war gerade reiner Zufall. Halb angeschossen, halb abgefälscht, ganz getroffen - drin war der Ball im Netz. Spektakulär, allemal schön anzuschauen, aber ein Glückstreffer. Hundertprozentig. Einmal und nie wieder.

Geht das noch einmal?

Florian Fischer grinst. So geht's ihm ständig. Er ist die staunenden Blicke mittlerweile gewohnt, all die ungläubigen Fragen.

Aber jetzt im Ernst, geht das wirklich noch einmal?

Kunstschuss

Fischer schwingt sich auf sein eigenwilliges Fahrrad, tritt in die Pedale und dreht eine Runde. Als dann der rot-weiße Ball auf ihn zugeflogen kommt, geht plötzlich alles ganz schnell: Mit einem Quietschen bringt Fischer sein Gefährt zum Stehen. So abrupt und gekonnt, dass es bei diesem Manöver das Hinterrad in die Höhe reißt. Der Rest ist ein Kinderspiel: Ein kurzer Ruck mit der Hüfte, ein flotter Schwenker mit dem Hinterrad - und erneut zischt der Ball ins Kreuzeck. "Alles einstudiert", lächelt Florian Fischer, im Zivilberuf Werkzeugmacher, in seiner Freizeit einer der besten Radballer der Welt.

Höchst in Vorarlberg, eine unscheinbare Sporthalle am Ufer des Rheins. Parkettboden, fahles Neonlicht, der typische Hallenmief. Holzleisten liegen auf dem Boden, komische Bälle fliegen durch die Luft, und überall diese seltsamen Fahrräder mit den aufgebogenen Lenkern und dem nach hinten versetzten Sattel. Man muss schon bis an die Schweizer Grenze fahren, um so was zu sehen. "Außerhalb von Vorarlberg kennt uns kaum jemand", weiß Dietmar Schneider, lebende Radball-Legende.

Hochburg

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Höchst ist die Hochburg des Radballsports. Knapp 40 Zweierteams soll es hierzulande geben, allein die Hälfte davon spielt im Trikot des RC Höchst, der selbstverständlich auch die beiden Mannschaften stellt, die nächste Woche bei der Weltmeisterschaft in Kagoshima/Japan Jagd auf das erste WM-Gold der Geschichte machen. Die Vorzeichen stehen gut, die Österreicher dominierten diese Saison den Weltcup und gewannen fünf von sieben Turnieren. In der Radball-Szene macht freilich seit Jahren ein Sprichwort die Runde: 'Die Österreicher mögen alles gewinnen, aber Weltmeister werden sie nie.'

So mancher Fußballcoach würde neidisch werden, wenn er den Radballern bei ihrer Arbeit zusieht. Perfektes Teamwork, einstudierte Spielzüge, gelungene Doppelpässe mit dem Vorderrad, präzise Schüsse ins Eck, mal hart, mal als raffinierter Schlenzer. "Ich weiß immer, wo der Ball hingeht", meint Florian Fischer. Als vor Jahren einige Radballer gegen die deutschen Fußballweltmeister von 1990 beim Torwand-Schießen antraten, setzte es eine deutliche Niederlage - für die Kicker.

Geduldsprobe

Bis zu dieser Treffsicherheit und zur Perfektion ist's freilich ein weiter Weg. "Es dauert schon lange, bis du das Rad beherrscht", sagt Simon König, Fischers kongenialer Partner und Weltcupleader. Die Spezialräder haben keine Bremse, die 1:1-Übersetzung erlaubt es vorwärts und rückwärts zu fahren. "Bis du den ersten Schuss zusammen bringst, brauchst du noch einmal ein Jahr", weiß Patrick Schnetzer, der mit Dietmar Schneider das zweite österreichische Team bildet.

Und dann erst das beinharte Duell mit Gegnern. Enge Rad-an-Rad-Kämpfe um den Ball gehören zur Routine, es scheppert und kracht, wenn sich die Fahrräder ineinander verkeilen. Wie im Fußball gibt's auch im Radball taktische Fouls. "Dann fährt man dem Gegner einfach ins Rad", weiß Dietmar Schneider, der mit seinen 36 Jahren sämtliche Tricks beherrscht und die Erfolgsgeheimnisse im Radballsport kennt. "Das allerwichtigste ist die Harmonie im Team", erklärt Schneider, "wie im Fußball kommen Egoisten auch bei uns nicht weit."