Wo die Götter wohnen
Kingdom of Wonders, Königreich der Wunder – mit diesem Schriftzug wird der Gast am Flughafen in Siem Reap begrüßt. Vielversprechende Worte, die sich beim Rundgang durch die sechs Kilometer entfernte, rund 400 große Tempelstadt Angkor bewahrheiten. Die beeindruckende UNESCO-geschützte Ruinenstadt, von den Khmer-Königen (802–1431) erbaut, ist das Wahrzeichen Kambodschas. Von den mehr als 300 Tempeln der „Gottkönige“ sind noch viele vom Urwald überwuchert, 100 wurden bist dato freigelegt, 24 kann man besichtigen. Für deren Erkundung würde man vermutlich zwei Wochen brauchen. Wir haben nur sechs Stunden Zeit, besuchen die wichtigsten: Angkor Wat, Angkor Thom und Ta Prohm.
Angkor Wat
Die Tempelanlage Angkor Wat (Bild siehe Seite 1) , das Herzstück des alten Khmer-Königreichs, ist schon von Weitem zu sehen. 40.000 Elefanten wurden für den sakralen Prachtbau mit drei Ebenen und fünf Türmen benötigt. Unzählige gut erhaltene, in Sandstein gehauene Skulpturen und Reliefs zeigen Szenen aus dem Khmer-Alltag, tanzende Apsaras (göttliche Frauen), mythologische Garudavögel, Affen, Götter und Dämonen. Highlight ist das längste Flachrelief der Welt (800 Meter lang) in den Galerien. Angkor Wat wird nicht nur von Touristen gestürmt, auch für Einheimische und Mönche ist die Anlage ein beliebtes Ausflugsziel.
Angkor Thom
Ta Prohm
Von all dem bleibt man beim wahrscheinlich einzigartigsten Tempel verschont. In der Anlage Ta Prohm fesselt die Natur den Stein –
ein apokalyptisches Naturschauspiel tut sich beim Rundgang auf. Die Tempelstätte ist von den mächtigen Wurzeln der Kapok-Bäume und Würgefeigen überwuchert, ja geradezu in ihren Besitz genommen. Riesige, moosbewachsene dunkelgraue Steinblöcke liegen haufenweise herum. „Do not climb“-Tafeln warnen vor gefährlichen Kletterversuchen. Der schrille, noch nie gehörte, sehr laute „Sirenengesang“ der Zikaden dröhnt noch lange im Ohr. Dieser unwirklichen Atmosphäre erliegt man schnell, dem Auslöser der Kamera ist keine Pause gegönnt. Kein Wunder, dass hier im Jahr 2000 eine der Schlüsselszenen im Actionfilm „Tomb Raider“ gedreht wurde – mit Angelina Jolie als Lara Croft in der Hauptrolle.
Angelina Jolie hat auch in der nahen Stadt Siem Reap ihre Spuren hinterlassen. Während der Drehs war sie oft im Restaurant „Red Piano“ zu Gast, schlürfte gern einen Cocktail aus Cointreau, Limettensaft und Tonic, der heutzutage ihr zu Ehren den Namen „Tomb Raider“ trägt.
Siem Reap
Ein paar Autominuten weiter besteigen wir ein sehr einfaches Boot – die Fahrt durch das Überschwemmungsgebiet des Tonle-Sap-Sees nach Battanbang, die in dieser Form nur zwischen September und Jänner möglich ist, beginnt. In diesen Monaten schwillt der See durch die Monsunmassen des Mekong und seines plötzlich rückwärts fließenden Nebenflusses Tonle Sap bis auf das Fünffache seiner Größe an und überschwemmt ein riesiges Gebiet, das für Schiffe befahrbar wird.
See Tonle Sap
In der Umgebung locken Ausflüge zum Tempel Wat Ek Phnom (Ruinen aus dem 11. Jh., neue Pagode, großer weißer sitzender Buddha) und zur Tempelanlage Prasat Banan. Diese ist schweißtreibend über 358 Stufen (rauf und hinunter sind es 716) erreichbar. Schulkinder wacheln willigen Aufsteigern mit Bambusfächern kühlende Luft zu – für einen US-Dollar Schmattes.
Bamboo Train
Bequemer ist die wackelige Fahrt mit dem Bamboo Train – eine Konstruktion aus zwei Achsen und einer Bambus-Palette, die von einem Motor betrieben und von einem Guide gesteuert wird. Auf den Geleisen einer einspurigen Bahnstrecke rollen wir zwischen Reisfeldern und Buschwerk dem Sonnenuntergang entgegen. Ein malerisches Erlebnis. Bei Gegenverkehr muss die schwächer beladene Plattform den Weg freigeben – heißt absteigen, Untersatz abbauen und zur Seite legen. Nach dem Passieren des „Gegners“ wird alles wieder aufgebaut – und wir rollen weiter.