Im ewigen Sommer Indonesiens
Von Martin Bernert
Die nackten Füße stecken im Sand – darüber, am Tisch, die Reste eines opulenten Seafood-Dinners: Fischgräten, Panzer und Köpfe von Langusten, Garnelen und Krabben. Die anderen Gäste des Restaurants sind bereits gegangen, Gitarrist Wayan hat sich zu unserem Tisch gesetzt. Virtuos spielt und singt er sich durch alte und neue Gassenhauer aus aller Welt.
Schwarzer Sand
Am nächsten Morgen offenbart sich der Vulkanstrand von einer weniger schönen Seite: Wo am Abend noch die Tische der Strandrestaurants standen, ziehen jetzt Fischer ihre Boote aus dem Wasser, laden den Fang der Nacht aus und flicken ihre Netze. Das geschäftige Treiben ist interessant zu beobachten, zum Baden lädt der schwarz-graue Strand allerdings nicht ein. Die Beach-Resorts an der Nordküste liegen zwar am Meer, eingetaucht wird aber hier nur in die Pools der Hotelanlagen.
An nahezu jeder Ecke stehen Schreine und Geisterhäuschen; vor den Häusern ragen Penjors, Girlanden aus Palmblättern an langen Bambusstangen, in den Himmel. Seit 1300 Jahren ist Bali hinduistisch – ohne dem strengen indischen Kastensystem, dafür mit viel eigener Tradition.
Vulkan-Trekking
Für die es übrigens keine falsche Jahreszeit gibt. „Bali ist längst zur Ganzjahres-Destination geworden“, weiß Tai Pan-Chef Günter Krause. Das Thermometer fällt selten unter 28 Grad, und auch die Regenzeit von November bis April bringt meist nur nachmittägliche Schauer.
Am Abend stellen die Restaurants auch hier ihre Tische in den Sand, um unter dem Sternenhimmel Köstlichkeiten aus dem Indischen Ozean zu servieren. Und wenn dann ein Musiker dazukommt, kann es gut sein, dass er Wayan heißt.
Für hinduistische Balinesen – und das sind mehr als 90 Prozent der knapp vier Millionen Einwohner – sind die Begriffe Leben und Religion untrennbar miteinander verwoben. Am Beginn jeder Mahlzeit wird ein Opfer gebracht, und religiöse Riten begleiten die Menschen von der Geburt bis zum Tod.
Dazu gehört das Barong-Tanzdrama. In fantasievollen Kostümen und begleitet von der traditionellen Musik eines Gamelan-Orchesters wird hier in einer Mischung aus Tanz und Theater der ewige Kampf zwischen Gut und Böse dargestellt.
Barong, eine von zwei Darstellern gespielte löwenähnliche Figur, steht für das Gute und kämpft gegen die Hexen-Königin Rangda, die alle bösen Kräfte des Universums symbolisiert.
Vorher und dazwischen zeigen Legong-Tempeltänzerinnen ihre Künste. Bei den Darbietungen der feingliedrigen Damen hat jede noch so kleine Bewegung – z. B. mit den Fingerspitzen – tiefe symbolkräftige Bedeutung.
Zum krönenden Abschluss richten die Kämpfer und Tänzer in tranceähnlichem Zustand ihre Schwerter und Spieße gegen sich selbst, wobei aber zumindest in jenen Versionen, die Touristen vorgeführt werden, kein Blut fließt.
„Sieger“ gibt es übrigens keinen. Balinesische Hindus sind überzeugt, dass Gut und Böse einander niemals besiegen können und dazu verdammt sind, bis in ewige Zeiten miteinander zu ringen. Klingt doch ganz wie im wirklichen Leben.