Von dieser Schule träumen Eltern, Schüler und Lehrer
Von Ute Brühl
Über Schule redet jeder. Natürlich. Denn fast jeder Österreicher hat direkt oder indirekt mit ihr zu tun: Da wären erst einmal die Hauptbetroffenen selbst, die rund 1,1, Millionen Schüler. Auch deren Eltern, Großeltern, Nachhilfelehrer und Freunde erleben den Schulalltag mit. Und dann gibt es da noch diejenigen, die täglich im Klassenzimmer stehen: die Lehrer. Rund 125.000 Pädagogen zählt die Statistik Austria. Nicht alle unterrichten. Viele sitzen in der Verwaltung.
Sie alle wollen mitreden, wenn es um die Bildung unserer Kinder geht. Was wünschen sie sich? Welche Vorstellungen von einer optimalen Schule haben Schüler? Wie stellen sich Eltern den Unterricht vor? Und was wünschen sich Lehrer? Im KURIER sprechen all diese Schulpartner von welcher Schule sie träumen und wie für sie der optimale Unterricht aussehen könnte. Diese Vision eint sie offensichtlich: Ein Miteinander statt ein Gegeneinander im Klassenzimmer. Eine Kunst, die nicht in jeder Schule beherrscht wird. Dabei wäre gerade sie die wichtigste Voraussetzung für eine Umgebung, in der Lernen gelingen kann.
„Die Politik sollte mehr auf Schüler, Eltern und Lehrer hören“, wünscht sich der 20-jährige Grazer Thomas Gaar. „Die Schulpartner (Eltern-, Schüler- und Lehrervertreter, Anm.) haben zu diesem Zweck heuer einen Bundes-Schulgemeinschaftsausschuss gegründet. Es wäre schön, wenn das Unterrichtsministerium dessen Forderungen zumindest teilweise umsetzt.“ Einen größeren Entscheidungsspielraum fordert der Student auch für die einzelnen Schulstandorte: „Der Direktor sollte bestimmen können, welcher Lehrer an seiner Schule unterrichtet und wie er seine Budgetmittel am sinnvollsten einsetzt.“
Politische Bildung
Ein weiteres großes Anliegen ist dem Obmann der Schülerunion die politische Bildung: „Wir fordern ein eigens Fach. In anderen Gegenständen wie Geschichte kommt das Thema viel zu kurz. Wer mit 16 Jahren wählen darf, sollte auch Bescheid wissen.“
Demokratie. In einem Punkt sind sich Meral Nur von der Aktion Kritischer SchülerInnen (AKS) und Thomas Gaar von der Schülerunion einig: „Wir Schülerinnen und Schüler wollen ernst genommen und gehört werden. Derzeit beschließt die Politik Reformen über unsere Köpfe hinweg.“ Wer mitbestimmen will, muss auch die entsprechende Legitimation haben: „Ich trete deshalb dafür ein, dass die Landesschülervertretung von allen Schülern direkt gewählt wird,“ meint Nur, die die achte Klasse der AHS-Theodor-Kramer-Straße Wien besucht.
Nicht langweilen
„Langweiliger Frontalunterricht sollte endgültig vorbei sein“ wünscht sich Nur. „Offene Lernformen und die Nutzung neuer Medien wie Laptops sollten in alle Klassenzimmer einziehen.“ Weiterer Wunsch: „Die gemeinsame Schule der zehn- bis 14-Jährigen sollte endlich umgesetzt werden.“
Kind im Mittelpunkt. „Die Parteipolitik muss endlich raus aus der Schule“, fordert Barbara Lechner aus dem Burgenland. „Bei der Besetzung von Direktorenposten sollten die Eltern ein Mitspracherecht haben. Denn sie kennen den Alltag am Standort und die Probleme vor Ort weitaus besser als die Funktionäre in den Parteizentralen.“
Unabdingbar sei eine Gesprächsbasis zwischen den Schulpartnern: „Diese ist leider keine Selbstverständlichkeit. Dabei wäre sie wichtig, um die Kinder auf dem Weg ins Erwachsensein zu begleiten.“ Eltern fordert sie auf, „Schule nicht nur als Aufbewahrungsstätte zu sehen. Ob es meinem Kind gut geht oder nicht, hängt auch von mir als Mutter ab.“
Ethik statt Religion
Persönlicher Wunsch: „Alle Schüler müssen in den Ethik-Unterricht. Religionsunterricht sollte freiwillig sein. So würden Kinder nicht auseinanderdividiert.“
Zeitgemäß.Einen Unterricht auf der Höhe der Zeit wünscht sich Dalia Frey aus Wien. Dazu brauche es Lehrer, „die für ihr Fach brennen und Schüler inspirieren. Die Schüler sollten einen Bezug zu dem Stoff haben, der ihnen vermittelt wird.“ Dass Schüler Lehrern regelmäßig ein Feedback geben, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.
Zum Lernen gehört mehr als nur Wissen pauken. Es muss verstanden werden. „Deshalb wünsche ich mir, dass in den Klassenzimmern viel diskutiert und viel geredet wird.“
Weniger Ausfälle
Besonders missfällt der erfahrenen Mutter, dass so viele Unterrichtsstunden ausfallen: „Ich finde es sehr ärgerlich, dass so vieles ersatzlos gestrichen wird.“
Weitere Hoffnung von Dalia Frey: „Pädagogen sollten die Stärken der Kinder und Jugendlichen erkennen und ihr Potenzial möglichst gut ausschöpfen.“
„Direktoren sollten keine Verwalter, sondern Manager der Schule sein“, sagt Michael Jahn, Direktor des BORG Hegelgasse 12 in Wien.
Im Klartext: „Schulen brauchen Autonomie und mehr Kompetenz am Standort.“ Dazu sei es nötig, das Schulorganisationsgesetz radikal zu ändern: „Am Standort soll bestimmt werden, ob ich in 50-Minuten-Stunden unterrichte oder in Blöcken. Auch der Schulbeginn könnte an jeder Schule unterschiedlich sein“, meint Jahn. An seinem BORG gibt es einen Kunstschwerpunkt. „Der ermöglicht uns, Aufnahmsprüfungen zu machen.“
Wettbewerb
Jahn plädiert dafür, dass sich Schulen viel stärker als bisher ein eigenes Profil geben und sich die Schüler sowie Lehrer selbst aussuchen können. Heißt aber mehr Wettbewerb nicht, dass es dann auch Restschulen gibt? „Mag sein“, sagt Jahn, „doch die gibt es auch jetzt schon.“
Stellenwert.Der Schulerfolg eines Kindes hängt nicht nur vom Lehrer ab: „Die Schüler müssen mittun. Von ihnen wünsche ich mir mehr Fleiß und Ernsthaftigkeit“, so die Lehrerin einer Kooperativen Mittelschule in Wien-Ottakring. „Wir versuchen zu motivieren. Bei Pubertierenden ist das leider schwierig.“
Ein Erfolgsfaktor ist das Elternhaus. „Mütter und Väter sollten mehr Interesse am Fortkommen ihrer Kinder zeigen und positiv über die Schule reden.“ Die Lehrer schaffen es nicht alleine, Jugendliche zu sozialisieren: „Da brauchen wir Unterstützung von den Eltern.“ Und von Direktoren: „Leider haben wir bei Problemen oft nicht den Rückhalt, den wir bräuchten und verdienten.“
Respekt
Von der Gesellschaft erwartet sich Chmelar mehr Anerkennung für die Lehrer. Und die Wirtschaft müsse sich stärker zu Wort melden und bessere Schulen einfordern.
Neue GenerationIn der Zukunft wird der Arbeitsplatz des Lehrers in der Schule sein: „Dass es für Pädagogen fixe Zeiten der Anwesenheit außerhalb des Unterrichts gibt, daran geht kein Weg vorbei“, ist sich Andreas Peterseil aus Oberösterreich sicher. „Auch wenn es wie ein frommer Wunsch klingt: Ich hoffe, dass es bald überall die dafür nötige Infrastruktur gibt.“
Neugier
Der Junglehrer erhofft sich von Pädagogen, dass sie sich die Neugier bewahren und dauerhaft einen Zugang zu den Schülern finden. Auch er plädiert für ein Miteinander: „Wenn Eltern, Schüler und Lehrer gegenseitiges Verständnis zeigen, funktioniert Schule.“ Von Kollegen wünscht er sich, dass sie offensiver über ihre Arbeit informieren: „Dann wäre das Lehrerbild ein anderes.“ Sein Wunsch: „Alle Pädagogen – auch Kindergärtnerinnen – sollten zukünftig an der Uni ausgebildet werden.“
Die Schultaschen sind längst gekauft und die Schultüten gefüllt. Viele der rund 80.000 Buben und Mädchen, die heuer eingeschult werden, sind schon nervös. Und mit ihnen die Eltern: „Was kommt da auf mich zu? Wie ist meine Lehrerin? Finde ich Freundinnen und Freunde?“ Das sind die Fragen, über die sie jetzt nachdenken. Die Eltern sind als Ansprechpartner dann besonders gefragt. KURIER-Familycoach Martina Leibovici-Mühlberger gibt Tipps, wie der Start gut gelingt.
„Spätestens jetzt sollte sich die Familie auf den neuen Tages-Rhythmus einstellen. Das Kind sollte immer zur gleichen Zeit ins Bett. Es gewöhnt sich so an das frühe Schlafengehen.“ Besonders leicht gelingt das mit einem Abendritual: „Das Vorlesen ist eine gute Vorbereitung für die Schule. Denn so lesen die Kinder später lieber und leichter.“ Der Abend ist die beste Zeit, den Tag Revue passieren zu lassen: Was war besonders schön? Was gar nicht? „So wird den Kindern bewusst, wie ihr Tagesablauf strukturiert ist.“
Wer sein Kind auf die Schule vorbereiten will, soll Alltägliches trainieren: „Wo wohne ich? Wann hab’ ich Geburtstag? Wie alt bin ich? Das sollte ein Sechsjähriger wissen. Lehrer gehen auch davon aus, dass es sich selbstständig anziehen kann“, sagt der Erziehungscoach.
Lust machen
Keinesfalls sollten Eltern erzählen, dass mit der Schule der „Ernst des Lebens“ beginnt. „Mit diesem Satz vermittelt man, dass Schule unangenehm ist. Das Gegenteil ist der Fall. Hier lerne ich das, was ich im Leben brauche: lesen, rechnen, schreiben.“
Mit einem psychologischen Trick können Eltern ihrem Nachwuchs Lust auf die Schule machen: „Denken Sie über ihre eigene Schulzeit nach: Was war besonders schön? An wen erinnern Sie sich gerne? Was haben Sie dort fürs Leben gelernt? Erzählen Sie darüber.“
In den ersten Schultagen freuen sich die Kleinen, wenn Opa oder Mama Zeit haben, um zuzuhören: „Das Kind erlebt jetzt viel Neues. Darüber will es reden.“ Weil so viele Eindrücke auf es einwirken, braucht es jetzt mehr freie Zeit zum Spielen und Ausruhen. Setzen Sie also in den ersten Wochen nicht gerade einen Zahnarzttermin an.“