TV-Film: Deutsches Kind, muslimische Adpotivfamilie
Von Nina Oberbucher
Würde ich mein Kind einem befreundeten Nachbarn zum Babysitten anvertrauen, der ein Moslem ist? Diese Frage stellte sich Drehbuchautor Paul Salisbury nach der Geburt seiner Tochter. Aus der Überlegung entstand die Geschichte zum Drama „Das deutsche Kind“ (heute, 20.15 Uhr, ARD ), das von einem besonders komplexen Sorgerechtsstreit handelt: Denn die beiden Parteien, die sich hier gegenüberstehen und der 6-jährigen Pia nach dem plötzlichen Unfalltod ihrer Mutter ein neues Zuhause geben wollen, sind unterschiedlichen Glaubens.
Auf der einen Seite stehen die deutschen Großeltern, die jedoch nie Kontakt zu dem Kind hatten. Auf der anderen Seite die türkischstämmigen Adoptiveltern: Sehra und ihr Mann Cem Balta, ein angehender Imam (gespielt von ROMY-Nominee Murathan Muslu). Bei ihnen soll Pia leben, wenn es nach dem Testament der Mutter geht. Regelmäßig hat die Nachbarsfamilie auf das Mädchen aufgepasst, die beiden Mütter waren enge Freundinnen. Dass die Baltas die Vormundschaft übernehmen sollen, überrascht sie selbst, trotz aller Zweifel entscheiden sie sich dafür. Doch die Großmutter (Katrin Sass) will nicht akzeptieren, dass ihre Enkelin in einer muslimischen Familie aufwächst. Der Streit um das Sorgerecht wird zur Konfrontation der Kulturen.
Perspektivenwechsel
Drehbuchautor Salisbury setzt dabei auf einen Perspektivenwechsel und erzählt von einer „umgekehrten Integration“: „Die sogenannten Migranten sind längst zugehörig“, so Salisbury. „Das deutsche Kind muss in die muslimische Familie integriert werden.“
Zunächst habe er Bedenken gehabt, sich an eine Geschichte aus einem Kulturkreis zu wagen, den er nur von außen kenne. Bei der authentischen Umsetzung bekam er aber von den deutsch-türkischen Schauspielern und Regisseur Umut Dag (der mit „Vorstadtweib“ Martina Ebm liiert ist) Unterstützung: „Dann hieß es schon mal: So etwas machen wir bei uns zu Hause nicht. In den Dialogen sprechen sie jetzt so ein Mischmasch aus Deutsch und Türkisch.“
Vorbild
Auch Muslu konnte für seine Rolle als Imam eigene Erfahrungen miteinbringen: „Als ich 12 oder 13 Jahre alt war, zeigte mir mein Cousin die Moscheen von Istanbul“, erinnert sich Muslu. „Er strahlte eine sehr große Ruhe aus.“ Beim Lesen des Drehbuchs habe er sofort seinen Verwandten vor Augen gehabt. Nach seinem Vorbild wollte er auch Cem Balta auslegen.
Balta sei ein moderner Imam: Er hält seine Predigten auf Deutsch und ist auch bereit, für Pia zu Weihnachten eine Tanne aufzustellen. „Es geht ihm nicht darum, einen religiösen Gedanken zu verwirklichen. Er handelt aus reiner Menschlichkeit.“