Leben/Reise

Welterbe-Wanderung: Monsterjäger im Mariandlland

Die Herzerlmarkierung auf einem Baum ist nach dem steilen und zehenaufreibenden Abstieg von den Bergflanken des Dunkelsteiner Waldes zur Donau hin ein willkommener Anblick. Wer die Wanderregion Wachau unterschätzt, sie quasi als Lulu-Bergtour abtut, und nicht das entsprechende Schuhwerk anhat, der wird auf der kurzen, aber knackigen Teil­etappe von Schönbühel nach Aggsbach-Dorf sein blaues Wunder erleben. Wer aber vorgesorgt hat und blasenfrei bleibt, der kann sich einen Nachschlag holen, in Form einer naturkundlichen Exkursion mit dem Botaniker und Libellen-Forscher Wolfgang Schweighofer.

Ihn und seine Arbeit zu erklären sei schwer, aber eine Schülerin habe ihm zum Schulschluss gedankt, er sei das beste Universalgenie, das ihr je begegnet sei, "weil ich so viel weiß". Eine Genugtuung, nicht wenige halten ja Amateur-Forscher, die ihre karge Freizeit damit verbringen seltene Libellen oder Heuschrecken aufzuspüren, für Fachidioten. Aber nur mit Beharrlichkeit lassen sich wissenschaftlich anerkannte Erfolge erzielen, wie sie Schweighofer gelungen sind. Etwa der Nachweis der Azurjungfer oder die, mittlerweile wieder verschwundene, Bunt-Schwertlilie.

Das Wissen des Biologielehrers geht weit über Melk hinaus, eigentlich ist er Spezialist für das Nibelungengau, aber heute erkundet er für den KURIER einen ganz besonderen Standort im Osten seines Untersuchungsgebiets.

Großer Fuchs

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Gleich hinter dem Gasthof Kartause in Aggsbach-Dorf führt eine Fahrstraße tief hinein in den Mitterbachgraben, vulgo Gurhofgraben. Nach einer dreiviertel Stunde Fußmarsch erreicht man den ersten Naturschauplatz im hintersten Winkel der Wachau, eine Schmetterlingslichtung, auf der sich unter anderem der Große Fuchs mit ausgebreiteten Flügeln sonnt. Der Edelfalter ist in Niederösterreich stark gefährdet. Auf dieser Wiese merkt man davon aber nichts.

Wer das "Monster" der Libellenfauna, Cordulegaster heros, entdecken will, muss noch tiefer in den Graben vorstoßen. Die Große Quelljungfer erreicht knapp zehn Zentimeter Körperlänge. Dagegen ist die abgebildete, und in Melk vom Aussterben bedrohte Pokal-Azurjungfer ein zartes Geschöpf.

Es ist brütend heiß. Und natürlich sehr einsam. Am Fuß der Steilwand angelangt entfaltet sich inmitten grüner Wälder eine Mondlandschaft, abgestorbene Kiefern prägen das Bild. Nur wenige Spezialisten – und Schweighofers Schüler – wissen, dass diese Bergsteppe vor der Haustüre eine Schatztruhe darstellt, in der Raritäten wie der Pelzfarn und die Schönschrecke zu finden sind. Flächen wie diese werden in der Umgebung von Melk von der Forschungsgemeinschaft Lanius betreut. Naturbursch Wolfgang Schweighofer sitzt im wissenschaftlichen Beirat. "Die Wachau, die hat schon was."

Naturführer Wolfgang Schweighofer: Libellen im Bezirk Melk. 9. Band der Beiträge zur Bezirkskunde. 22 € (bei der BH Melk).

Klischee ade: Die neue Wachau

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Naturschauspieler Die Wachau ist ein 36 km langes Durchbruchstal der Böhmischen Masse. Das Tal liegt zwischen Krems und Melk, mit dem Seitental Spitzer Graben. Nördlich der Donau schließt das Waldviertel an, südlich der Dunkelsteiner Wald. Das Klima ist pannonisch-mild. Biologen schwärmen für die totholzreichen Wälder, in denen mehrere Spechtarten und Halsbandschnäpper auftreten. Der Setzberg bei Spitz ist berühmt für seinen Tagfalter-Reichtum.

Sommerfrischler Seit 1858 kann man mit der Bahn nach Melk reisen. Die Sommerfrischler wurden zur wichtigen Einnahmequelle neben dem Weinbau. Heimatfilme wie "Mariandl" machten die Gegend bekannt bis berüchtigt.

Weltkulturerbe Die Ernennung durch die UNESCO war der Ritterschlag für die Wachauer. Zehn Jahre später wurde der gleichnamige Steig eröffnet:14 Etappen, verteilt auf 180 km.