Leben/Reise

Usedom & Rügen: Der frische Charme der Ostsee

Bizarre Wolkenformationen, ein frischer Wind, der Haare und Gräser am Kilometer langen Strand wild tänzeln lässt: Auf Usedom lässt es sich zum beruhigenden Soundtrack der Wellen stundenlang spazieren gehen – und sammeln: neben Muscheln und geschliffenen Glasscherben wird auch Bernstein angespült.

Ansonsten? Außer dem Gekreische der Seevögel viel Ruhe. Keine Strandbars, kaum Diskos, wenig Trubel. Die Seele kann baumeln. Das macht den Charme eines Sommerurlaubs auf den Ostsee-Inseln aus. Und auch die angenehmen Temperaturen – selbst im Hochsommer klettert das Thermometer nicht über 25 Grad. Baderatten verlangt die Ostsee allerdings eine dicke Haut ab, 18 Grad Wassertemperatur sind die Spitze.

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Usedom, die zweitgrößte Ostsee-Insel (445 km², ein Sechstel gehört zu Polen), lockt mit vielen Angeboten. Alleine elf Wellnesshotels sorgen auch in der Nebensaison dafür, dass sich Urlauber richtig entspannen können. Wer nicht nur faulenzen will, der sollte sich aufs Rad schwingen. Ob auf dem 40 Kilometer langen Küstenradweg oder auf den Spuren des deutsch-amerikanischen Malers Lyonel Feininger, der jahrelang auf Usedom lebte und arbeitete. Auf insgesamt 150 Kilometer Radwegen findet sich für jeden das Passende. Wem die Beine schwer werden, der fährt mit der Bahn weiter. Und wer Energie nachtanken muss, genießt im Restaurant Stellwerk regionale Geheimnisse. Alte pommersche Rezepte interpretiert Koch Jörg Gleissner neu und sorgt für Überraschungen. Frischen Fisch isst man am besten bei den Imbiss-Ständen am Strand.

Der Kosename der Deutschen für Usedom ist übrigens "Badewanne der Berliner". Und das liegt auf der Hand: Die Reise von Berlin zur Ostsee dauert nur drei Stunden.

Kaiserbäder

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Wenn Brigitte Will die Bremsen zieht, dann mit einem ohrenbetäubenden Geräusch. "Wer quietscht, bremst noch!", lacht sie und tut es ein zweites Mal. Mit ihren beiden Mecklenburger Kaltblütern, Vagabund und Vox, kutschiert die Usedomerin Gäste durch die Kaiserbäder Heringsdorf und Ahlbeck. Die ehemaligen Fischerdörfer entwickelten sich zur Kaiserzeit zu mondänen Badeorten mit prachtvollen Villen.

Die "Bäderarchitektur" mit ihren filigranen Fassaden, verspielten Erkern und weißen Holzbauten ist in den Kaiserbädern wunderbar erhalten. Behutsam begann man nach der Wende mit dem Renovieren und brachte die historischen Gebäude wieder vorbildlich auf Vordermann. So lässt sich noch heute nachvollziehen, warum die Orte bei den Kurgästen zur Wende des 19. Jahrhunderts so beliebt waren.

Die Strandpromenade, auf der früher die Reichen und Adeligen beim Schlendern um Aufmerksamkeit buhlten, ist heute Fahrrad- und Flaniermeile. Kleine Stände und Konzertinseln bieten Abwechslung und erfreuen Besucher auf dem Weg zum Strand.

Noch bis Ende September ist Usedom erstmals ab Wien nonstop erreichbar. Ruefa bietet einen Charterflug in den Badeort Heringsdorf und eine Auswahl an Hotels zu durchaus attraktiven Preisen. "Gut", meint Will: "Irgendwie muss die Chose ja angeschoben werden."

Auf der zweistündigen Fahrt weiß die Kutscherin beinahe zu jedem Haus eine Geschichte. Wer sie allerdings beim Erzählen ihrer Anekdoten unterbricht, wird mit strengem Blick bestraft. Aber schweigen lohnt sich, man lernt viel über die Stadt: Wo zum Beispiel unser Kaiser Franz Joseph und sein deutscher Kollege Wilhelm II. bei ihren Kuraufenthalten residierten.

Rügen

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Eineinhalb Stunden von Usedom entfernt liegt Rügen, mit 926 km² die größte der Ostsee-Inseln. Über Land fährt man via Stralsund, das sich auch das Tor zu Rügen nennt. 2002 wurde die Stadt zum UNESCO Welterbe erklärt, nicht zuletzt dank ihrer zahlreichen neugotischen Backsteingebäude. Lohnenswert ist der 366 Stufen lange Aufstieg auf den Turm der St.-Marien-Kirche. Der Ausblick auf Stadt und Insel ist fantastisch. Ebenso wie Usedom bietet auch Rügen reichlich Abwechslung. Zum Wandern lädt der Naturpark Jasmund ein. Ein kurzer Marsch durch die Buchenwälder (UNESCO Weltnaturerbe) führt zum Königsstuhl, einem Kreidefelsen, der schon Maler Casper David Friedrich Modell stand.

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Mit ein wenig Glück finden Eifrige am Strand vor der Kreideküste Feuersteine. Hat so ein Steinchen ein Loch in der Mitte, wird es zum Hühnergott. Einmal durchschauen soll ein Jahr Glück bringen. Suchfaulen fällt das Glück im Shop des Parkzentrums für ein paar Euro in den Schoß. Besonders Lust macht Shoppen auf der kleinen sehr malerischen Promenade des Ostseebades Binz .

Dampflok

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Und da man ja zum Entschleunigen auf Rügen urlaubt, nimmt man für die Fahrt nach Binz konsequenterweise den "Rasenden Roland", eine Schmalspurbahn mit 30 km/h Höchstgeschwindigkeit und Ruß qualmender Dampflok. Das ist dann fast wie ein Strandspaziergang – den frischen Wind im Gesicht, nur statt des Soundtracks der Wellen das rhythmische Schnaufen der Lok im Ohr.