Frischer Wind im Land der Morgenstille
Von Tina Deschu
Der Verkehr ist nicht so schlimm heute, wir sind bald da." Diesen Satz werden wir im Laufe der Woche noch öfter von unserem Guide Byeoung-Cheol, genannt Charly, hören. Vom Flughafen Incheon malmt sich die vierspurige Karawane durch den schwülen Smog-Dunst in die Hauptstadt. Beim täglichen Ringen mit der Blechlawine geht das Zeitgefühl leicht verloren, er selbst pendelt täglich 1,5 Stunden von seiner Wohnung ins Büro – einfache Strecke. Entlang aufgeschütteter Erdhaufen zur Landgewinnung und gewölbten Gewächshäusern bohren sich die ersten Hochhäuser am Stadtrand von Seoul ins Blickfeld. Dicht aufgefädelte Wohnsilos erinnern an Bienenstöcke und sind zur Orientierung mit etagenhohen Ziffern durchnummeriert. Die rasch wachsende 10-Millionen-Stadt braucht Platz. Alle Koreaner – außer die reichen – wohnen in Hochhäusern, meint Charly.
Aus dem Bus ausgestiegen, verfliegt die Hektik. Vor gläsernen Bürotürmen, gegenüber einer achtspurigen Straße, erhebt sich majestätisch die Changdeokgung-Palastanlage. Die bunten Verzierungen der Audienzhalle leuchten in der Abendsonne. Etliche Besucher wollen wie wir die letzten Strahlen vor dem Sonnenuntergang als Fotokulisse nutzen. Die einheimischen Touristen sind uns frisch gelandeten Europäern jedoch einen Klick voraus: Neben dem neuesten Sportoutfit gehört ein Selfie-Stick zur Standardausrüstung – ein Stab, auf dem das Handy zwecks erweitertem Bildausschnitt zur Selbstfotografie montiert wird. Erst lachen wir – kurz darauf erwerben wir das gute Stück am Straßenstand für 10 Euro.
Touristisches Neuland
Noch verirren sich wenige westliche Touristen auf die Halbinsel, dabei hat die junge Republik viel zu bieten: Wandertouren und Skifahren im Norden, Shopping in hippen Großstädten, dazu locken gleich zehn UNESCO-Weltkulturerbestätten.
"Braucht noch jemand innere Harmonie?" Guide Charly drängt zur Weiterfahrt und zeigt den Weg zur Toilette, oder wie er sie nennt, "Harmoniehalle".
Bei herrlichem Ausblick über das ganze Tal kosten wir die von alten Damen feilgebotenen Maroni; die größten, die wir je gegessen haben. Doch wohin mit der Schale – nirgends gibt es Mülleimer. "Je weniger Mistkübel, desto weniger Müll", belehrt uns Charly. Oder ob wir irgendwo herumliegenden Dreck sehen würden? Eben.
33 Stufen zur Erleuchtung
Gestärkt geht es weiter zur Bulguksa-Tempelanlage. Unter dem strengen Blick der vier Buddhas der Himmelsrichtungen passieren wir das Tor. Zur Erleuchtung führen 33 Stufen. Diese müssen überwunden werden, um den Haupthof und damit die Shakyamuni-Pagode des ältesten buddhistischen Klosters Koreas zu erreichen, hinter deren Mauern noch heute Mönche ein strenges Leben führen.
Karaokesingen im Spa
Zurück in Seoul tanken wir vor einem Abstecher ins hippe Stadtviertel Gangnam Kraft in einem traditionellen Spa. Im hellgrünen Einheitspyjama erholt man sich – streng nach Geschlechtern getrennt – bei Kräuterbad, Massage oder Aroma-Dampfbad. Zwischendurch ein Abstecher in die integrierte Spielhalle oder Karaokebox, langweilig wird es nicht. Hier darf man sogar übernachten: Nach einer durchzechten Nacht sei man dank der nächtlichen Schwitzerei am nächsten Tag wie neugeboren, grinst unser Guide verschmitzt.
Für längere Erholung empfiehlt sich ein Hanok-Stay, z. B. im Weltkulturdorf Yangdong. Tageweise kann man sich in einem traditionellen Holzhaus mit Papierwänden einmieten, um die einfache Lebensweise kennenzulernen. So oder so – in Südkorea gelingt es garantiert, vom Alltag abzuschalten.
„Die beste Aussicht hat keinen Reiz, wenn der Tisch leer ist“, lautet ein koreanisches Sprichwort. Kraft für die ausgedehnten Entdeckungstouren tankt man am besten bei einem koreanischen Mahl. Anders als z. B. die chinesische Küche kommt die koreanische dem westlichen Gaumen sehr entgegen. An jeder Ecke locken Straßenimbisse mit flaumigen Teigtaschen (mit süßer oder saurer Füllung), frischen Meeresfrüchten oder dampfenden Brühen.
Es gibt über 180 Varianten des Nationalgerichts, das seit Jahrtausenden aus Weiß- oder Chinakohl oder anderen Gemüsearten zubereitet wird. Früher fermentierte man das Gemüse in hohen Tontöpfen, heute gibt es eigene Kühlschränke für die würzige Zuspeise.
Beste Reisezeit Mitte/Ende April bis Mai und von September bis Ende Oktober. Zeitverschiebung: MEZ +7 bzw. 8 Stunden (keine Sommerzeit)
Preisniveau/Währung 1 € = ca. 1400 Won, 1000 Won = 72 Cent. 1 Fl. Wasser (0,5 l) = 750 Won, 1 Bier = 1600–3500 Won
Hoteltipp IP Boutique Hotel im Stadtteil Itaewon, Seoul. www.ipboutiquehotel.com
Angebot Gruppenreise von GEO Reisen: 8.–15. Mai oder 22.–31. Mai 2015. Reiseverlauf: Wien–Seoul –Sokcho/ Seorak Nationalpark– Pyoengchang–Chungju–Haeinsa–
Daegu–Gyeongju–Busan–Seoul– Wien. Preis: 2099 € p. P. im Doppelzimmer. Inkludiert: Flug ab/bis Wien, 9 Übernachtungen mit Frühstück in guten Mittelklasse-
Hotels, Eintritte, deutschsprachige Reiseleitung und Reiseliteratur.
– Info & Buchung: 0662/ 890 111 (Mo.–Fr. 8–17 Uhr), www.georeisen.com
Web Koreanische Zentrale für Tourismus, www.visitkorea.or.kr