Sommerfrische im Oktober auf der Insel Šolta
Von Uwe Mauch
So viel Blech! Die kroatische Autobahn A1 und der Hafen von Split sind in den vergangenen Jahren zwischen Mitte Juni und Mitte September zu unkalkulierbaren Verkehrskrampfadern angeschwollen. In diesem Sommer war es besonders schlimm: an jedem Wochenende berichteten die großen Fernsehstationen des Landes über elendslange Staus und Rekordhitzewerte.
Da lobe ich mir die Zeit danach. Schon beim Passieren des Velebit-Gebirges fällt einem der alte Slogan „ein Sommer wie damals“ ein. Kein Stau vor dem Tunnel Sveti rok, freie Fahrt bis in den Hafen von Split. Unser Ziel ist auch in diesem Herbst die Insel Šolta, die vom Diokletianpalast aus betrachtet rechts von der bekannteren Insel Brač liegt und die man vom Festland bequem in 55 Minuten mit der Auto-Fähre erreichen kann.
Auf der Strafinsel
Soll ich Ihnen das überhaupt alles anvertrauen? Lange habe ich mit mir gerungen. Als unbelehrbarer Altruist denke ich mir jedoch: Diese Form von sanftem, ereignisreichem und doch unaufgeregtem Urlaub hätten sich mehr Menschen verdient.
Die Eigenheit von Šolta ist nämlich jene: Die Insel wird trotz ihrer Nähe zu Split bis heute von Touristikern mehr gemieden als beworben. Das hat mit ihrer Geschichte und ihrem lokalen Image zu tun. Jahrhundertelang lebte auf dem Eiland in erster Linie die Armut. Eine ältere Spliterin, die auf Šolta ihre Pension verbringt, hat mir einmal auf der Fähre anvertraut: „Wissen Sie, wenn wir Kinder schlimm waren, drohten uns die Erwachsenen, dass sie uns auf diese Insel bringen.“
Und dann legt die Fähre auch schon im Hafen von Rogač an. Vereinzelte Urlauberautos rollen jetzt durch den kleinen Hafenort. Es gibt auf Šolta kein Hotel und somit nicht wirklich einen Massentourismus. Schon gar nicht ab Mitte September. Immerhin, das Hafencafé hat noch offen, und die Tankstelle.
Im Hauptort Grohote geht auch heute eine ausgedehnte Siesta in einen ruhigen Abend über. Es ist hier im Herbst wie in einem Alpendorf nach einem langen Winter. Man grüßt sich. Man kennt sich. Man freut sich über die Wiederkehr der ruhigeren Zeit. Dann, auf der acht Kilometer langen gut ausgebauten Straße von Grohote in den Badeort Maslinica, kommen einem gerade einmal zwei Autos entgegen. Jene, die heuer auf Rab, Hvar oder Brač urlaubten, haben diesbezüglich Anderes erlebt.
Großes Hallo bei Frau Silva, der Vermieterin unseres Apartments (dessen Name und Adresse darf ich Ihnen bei meiner Eh(r)e wirklich nicht verraten). Es ist, so viel dürfen Sie wissen, in der Nebensaison um ein Drittel günstiger als im Sommer.
Und dann gleich nach der Ankunft der obligatorische Sprung ins Meer. Das Wasser ist noch im Oktober wärmer als alpine Badeseen im Hochsommer. Die Adria lässt sich im Herbst lange Zeit mit dem Abkühlen. Frau Silva, die bereits mehr als 80 Sommer erlebt hat, erzählt, dass sie noch weit in den November hinein schwimmen geht.
Die Sonne fällt im Oktober abends früher und woanders ins Meer als bei der Sonnwende im Juni. Dafür kann man tagsüber auch über Mittag in die Pedale des Mountainbikes treten oder zum Weinbauer Tomo in Srednje Selo (mittleres Dorf) oder zum Imker Goran in Gornje Selo (oberes Dorf) wandern.
Ruhe vor dem Sturm
Spannend zu jeder Jahreszeit sind die Gespräche mit Dinko Sule, dem Universalgelehrten auf der Insel. Einmal forscht er über seltene Pilzarten, im nächsten Jahr über die Geschichte der Insel-Feuerwehr oder die Eigenheiten des Insel-Dialekts.
„Ein Glück“, meint auch er, dass die kroatischen Touristiker die Sommerfrische im Herbst noch nicht auf ihrem Radar haben. Zwar wurde die kleine Insel (weniger als 60 km², weniger als 2000 fix gemeldete Insulaner) heuer öfters besucht als noch vor zehn, 15 Jahren, doch wenn die Oliven reif werden, beginnt hier die Ruhe vor dem Sturm. Und die Herbststürme mit dem aufpeitschenden Meer kommen gewiss, aber meistens erst nach Allerheiligen.
Das einzige, was weh tut im Oktober: Wenn man sich am letzten Tag von Šolta verabschieden muss, ist der Sommer endgültig vorüber. Und man wird auf der Heimfahrt leider nie eines Besseren belehrt: Auf der Autobahn hinter dem Velebit, in der Lika, dem Waldviertel Kroatiens, sind die Temperaturanzeigen bereits einstellig. So gerne wäre man geblieben, um dem Weinbauern Tomo oder seinem Freund, dem Maler Boris, bei ihrer Olivenernte zu helfen. In Wien wird man stattdessen vom Schokonikolo empfangen.
Info
Anreise Für eine stressfreie Fahrt mit dem Auto sind mindestens neun Stunden von Wien nach Split zu kalkulieren. Die Bahn ist nicht zu empfehlen. Austrian und Croatia Airlines fliegen direkt von Wien nach Split, Eurowings ab Salzburg. Ein Bus bringt zur Fähre im Hafen von Split.
Währung 1 € = ca. 7,31 HRK
Essen und Trinken Das Angebot ab Mitte September ist überschaubar:
– Konoba Momčin Dvor: Im Hauptort
Grohote. Alt, aber gut. Und leistbar.
– Restaurant Martinis-Marchi: Im Yacht-Hafen von Maslinica, in einem Schloss. Traumhaft auch die Preise. www.martinis-marchi.com
Unterkunft Empfehlenswerte Zimmer bzw. Appartments:
– Villa Delfin: Gornje Selo, Put Križica 31. Von der sympathischen angeheirateten Schwäbin Sylvia Kalebić geführt. DZ mit Frühstück um 44 €. www.villa-delfin.hr
– Villa V: Domovinskog rata 41. Nett von der Filmemacherin Käthe Kratz renoviert, von Višnja Čerić und Željko Makvić vermietet. Apartment für 12 Personen: 1500 € / Woche, https://fr.airbnb.ch/rooms/4094854
Auskunft Kroatische Zentrale für Tourismus Tel: 01/5853884,
www.kroatien.at