Seychellen: Insel der Stillen
Drei Wochen Urlaub am Stück seien das Mindeste, um vom Arbeitsstress runter und in die Erholungsphase zu kommen, behauptet mein Freund, ein Mediziner.
Sorry, Kumpel, aber ich schaffte es in eineinhalb Tagen. Auf der Seychellen-Insel La Digue.
Außer nichts tun, baden, genüsslich abendessen bei grandiosen Sonnenuntergängen und täglich ein paar Kilometer radeln kann man dort nämlich nicht viel tun, wenn man nicht gerade ein Taucher ist. Das bringt schnell Ruhe ins Leben.
Nur 40 Autos
Fünf Quadratkilometer ist La Digue klein, es gibt keine Stadt, nur einen Hafen, um den sich die meisten der 3000 Einheimischen angesiedelt haben. Dazu zwei, drei Shops, eine Bar, ein halbes Dutzend Hotels, 30 Gästehäuser mit Privatzimmern, 40 Autos und ein paar Kilometer betonierte Straßen. Der Rest ist Natur, Regenwald und Strände ohne Ende. Und zwar solche von der feinen Sorte und wie auf allen Seychellen-Inseln mit blendend weißem Sand und Palmen, die Prospekt-tauglich in Schräglage über das türkis schillernde Wasser wachsen. Lärm gibt es nicht. Einheimische wie Touristen gehen zu Fuß, fahren mit dem Rad oder mit Ochsenkarren-Taxis. Letztere kommen gerade wieder in Mode, eine Zeit lang waren sie nur folkloristischer Aufputz für Touristen.
Ankommen, Ruhe genießen und die grandiosen von Palmen und schattenspendenden Takamaka-Bäumen gesäumten Strände genießen: Die Seychellen-Inseln vor der Ostküste Afrikas sind zu Recht ein Sehnsuchtsziel und zu Unrecht als sündteuer verschrien. Seit die Rupie an den Euro gebunden ist, ist das Tropenparadies erschwinglich. In den Luxus-Resorts zahlt man zwar immer noch locker ein paar Hundert Euro pro Nacht, aber es gibt längst günstige Gästehäuser ab 50 € mit Frühstück und Mittelklassehotels ab 70 €.
Unruhegeister werden es auf La Digue allerdings kaum länger als ein paar Tage aushalten. Denn vom ersten bis zum letzten Urlaubstag macht man hier in etwa das Gleiche. Frühstück mit Blick auf Meer oder Urwald, danach ein Rad ausleihen (zu mieten am Hafen oder bei den Hotels), Proviant einkaufen und eine Badebucht ansteuern. Auch zur entferntesten braucht man nicht länger als 30 Minuten. Der zweifellos schönste und mit Abstand meist fotografierte Strand der Seychellen liegt im Westen, in der Bucht Source d’Argent. Dort türmen sich die Granitblöcke, für die die Sychellen ja berühmt sind, besonders imposant. Auch Film-Sexbömbchen Emanuelle hat sich in den 1970er-Jahren hier geräkelt. Die Holzvilla, in dem einige der Lust-Szenen gedreht wurden, steht noch.
La Digue ist von den drei touristischen Hauptinseln der Seychellen die ursprünglichste, der die Unschuld des Selbstgestrickten anhaftet. Die Gästehäuser sind charmant, aber einfach. Der typische La-Digue-Urlauber entstammt dementsprechend nicht der Luxus-verwöhnten Jetset-Spezies, sondern der Gattung jung, alternativ, mit moderatem Einkommen. Luxus bietet nur das Hotel Le Domaine de L’Orangeraie in der Nähe des Hafens. Dort wohnt man ab 140 € pro Nacht mitten im Regenwald in Palmblätter-gedeckten Bungalows mit kolonialem Afrika-Flair, liegt am großen Pool mit Chill-out-Lounge oder lässt sich im Spa verwöhnen.
Insel-Kombi
Ohne Stress möglich ist die Kombination mit den zwei großen Seychellen-Inseln Praslin und Mahé.
Praslin liegt in Sichtweite von La Digue, nur 15 Minuten dauert die Überfahrt mit der Katamaran-Fähre. 44 Quadratkilometer groß, 8000 Einwohner, 30 Kilometer asphaltierte Straßen – da tut sich schon was für Seychellen-Verhältnisse. Sogar eine Ampel gibt es, die allerdings nur ein paar Mal am Tag auf Rot springt, wenn eine der zweimotorigen Propellermaschinen von der Hauptinsel Mahé im Tiefflug die Landebahn neben der Küstenstraße ansteuert.
Auch auf der zweitgrößten Seychellen-Insel sind die touristischen Aktivposten Ruhe, Gemütlichkeit, keine lästigen Souvenirverkäufer, traumhafte Buchten, super schöne Sandstrände. Zum Schwimmen taugen die meisten allerdings nur bei Flut. Bei Ebbe ist das Wasser über den Riff-Plateaus so seicht, dass es nur bis zum Bauch reicht. Den für mich schönsten Strand auf Praslin hat die Takamaka Beach beim Hotel Paradise Sun.
Beliebtes Ausflugssziel ist das UNESCO-Weltnaturerbe Vallée de Mai (Mai-Tal). Im 20 Hektar großen, mit Wanderwegen erschlossenen Regenwald wächst auch das Wahrzeichen der Seychellen, die Coco de Mer. Die 15 bis 20 Kilo schwere Nuss sieht aus wie der Schoß einer Frau und ist deshalb zu einem der beliebtesten Foto-Motive der Seychellen avanciert.
Rendezvous mit Schildkröten
Oder man bucht einen Tagesausflug zur Schildkröten-Insel Curieuse. Noch 300 der 100 bis 200 Kilo schweren Riesenschildkröten leben auf dem von Menschen nicht bewohnten Eiland. Der Wanderpfad durch den Mangrovenwald führt an einer flachen Bucht vorbei, in der man Rochen und einen Meter lange Riffhaie von einem Aussichtspunkt beobachten kann.
Bei den Hotels hat man auf Praslin eine recht gute Auswahl – von einfachen Gästehäusern über erschwingliche Mittelklassehotels bis zur Luxusklasse wie dem Lémuria Resort. In der Edelbleibe an der Westspitze urlauben die Promis dieser Welt. 400 Angestellte kümmern sich um 200 Gäste. Zwischen den Bungalows mit viel Edelholz schnurren Elektro-Wägelchen, abends erstrahlt die Terrasse am Meer im Lichterschein, beim Dinner im Kerzenlicht wird Service auf hohem Niveau zelebriert.
Legerer und typisch creolisch mit viel Fisch, Currygerichten und Reis isst man in den kleinen charmanten Restaurants. Einen After-Dinner-Bummel mit ein bisschen shoppen kann man sich auch auf Praslin abschminken. Wenn die Sonne im Meer versinkt, ist tote Hose. Außer ein paar Greißlern gibt es keine Shops, die Straßen sind kaum beleuchtet, Bars Mangelware.
Am abwechslungsreichsten ist die Hauptinsel Mahé. Um die 70 Strände gibt es dort zu entdecken. In einigen der schönsten Buchten stehen Luxus-Hotels wie Four Seasons, Banyon Tree und Kempinski. Hektik ist auch hier ein Fremdwort. Selbst in Victoria, der Hauptstadt der Seychellen mit immerhin 23.000 Einwohnern, gibt es kein Nightlife und nur eine Ampel. Nur am Sonntag wird es am schönsten Strand etwas lauter – da wird der Beach Beau Vallon zur Barbecue-Zone der Einheimischen. Das fotogene Treiben sollte man sich nicht entgehen lassen, genauso wenig das Bier vom Fass an der Open-Air-Bar des dortigen Hotels Coral Sand mit österreichischem Direktor. Ein offenes Bier bekommt man nämlich kaum auf den Seychellen, schon gar nicht um 3 € wie hier.
Ja, und danach legt man sich wieder in den Schatten eines Takamaka-Baumes und schaut auf Strand, Meer und Sonnenuntergang. Nach Hause kommt man garantiert erholt.