Mit dem Trabi durch Krakau: Eine Zeitreise in die Geschichte
Bitte einsteigen, wir machen eine Zeitreise!“ lacht Maciek, Reiseleiter von „Crazy Guides Cracow“ und öffnet die vordere Beifahrertüre seines Gefährts. Wir quetschen uns in seine „Zeitmaschine“, einen schwarzen, zweitürigen Trabant, Baujahr 1966. Die Ex-DDR-Klapperkiste reduziert das Thema Auto auf ein Minimum: Gurte, Tankanzeige, Heizung oder Klimaanlage – alles überflüssig. Doch Maciek steuert die 26 dröhnenden PS souverän.
Seit 2004 kutschieren acht „Crazy Guides“ (Maciek und sieben Mädels) Touristen in museumsreifen Trabis durch Krakau, Polens meist besuchter Stadt. 2016 zog die Ein-Millionen-Metropole zwölf Millionen Gäste an. Tendenz steigend.
Die alte Königstadt begeistert mit ihrer Altstadt (sie blieb im Zweiten Weltkrieg verschont und ist seit 1978 Unesco-Weltkulturerbe), dem großartigen Marktplatz Rynek Glówny mit den mächtigen gotischen Tuchhallen, der Marien-Kirche, zahlreichen mittelalterlichen Bürgerhäusern und Adelspalästen sowie dem Wawelberg samt Königsschloss. „Krakau hat aber noch wesentlich mehr als dieses begehbare Bilderbuch zu bieten“, erklärt Maciek. „Die jüngere Geschichte ist noch spannender.“
Laut und ruppig rattert unser Trabi Richtung Osten, nach Nowa Huta. „Um Krakau zu verstehen, muss man diese Planstadt im Stil des sozialistischen Realismus gesehen haben“ sagt Maciek. Die Arbeiter-Vorstadt mit gigantomanischen Dimensionen war nicht nur neuer Standort einer forcierten Industrialisierung nach 1949, sondern sollte dem Proletariat auch die Überlegenheit des kommunistischen Systems näher bringen. So bot Nowa Huta enormen Luxus: Breite Alleen, Gärten, Zentralheizung, Kinos, Theater, Sportstätten, Badeseen. Selbst Tiefgaragen für jedes Haus, obwohl 1950 nur vier Autos registriert waren.
Unsere Zeitreise führt über breite Boulevards zwischen symmetrisch-monströsen Wohnblöcken sowie ins Restauracja Stylowa, einem authentischen Ostblock-Beisl mit schaurigem Retro-Charme. Ironie am Rande: 1989 wurde die verhasste Bronze-Leninstatue zuerst im Wald entsorgt, später an einen schwedischen Millionär verkauft; und der Plac Centralny wurde nach Ronald Reagan umbenannt. Vom Kommunismus zum Kapitalismus.
Industrie-Architektur
Wer ab Österreich mit dem Auto nach Krakau fährt (sehr zu empfehlen), kommt auch an Kattowitz, Hauptstadt der Provinz Schlesien, vorbei. Das einstige Zentrum der Industrialisierung und des Kohlebergbaus mausert sich immer mehr. Auch für Touristen. In den 1970ern war Kattowitz Polens sozialistische Vorzeigestadt mit breiten, von Hochhäusern flankierten Trassen zwischen großzügigen Grünflächen. Interessant sind die Jugendstilgebäude der Altstadt, das Backstein-Arbeiterviertel Nikiszowiec und die runde Konzert- und Freizeithalle Spodek – auch „fliegende Untertasse“ genannt. Besonders spannend aber ist die Transformation von postindustrieller Umgebung in sehenswerte Kulturdenkmäler.
Bestes Beispiel dafür ist das Neue Schlesische Museum (Muzeum Slaskie, 2015 eröffnet): Auf dem Gelände eines Steinkohlebergwerks wurden historische Fördertürme, Schächte und Maschinenhäuser unterirdisch verbunden und mit Glaskuben ergänzt (unter Mitwirkung des Grazer Architurbüros Riegler Riewe).
Zu polnischer Kunst ab 1800 in mehreren Galerien gesellst sich als Höhepunkt die Ausstellung „Licht der Geschichte“: Sie stellt Schlesien im Wandel der Geschichte bis 1989 dar, Hauptaugenmerk gilt der Zeit der Industrialisierung mit all ihren Brüchen und Konsequenzen. Diese interaktive Schau allein macht Kattowitz zu einem lohnenden Städteziel.
Info
Anreise Mit dem Auto: Wien–Brünn–Olmütz–Ostrau–Kattowitz–Krakau (460 km), durchgehend Autobahn bis auf ein kleines Stück in Niederösterreich.
– Flug: Wien–Krakau fliegen Austrian Airlines, Lot Polish Airlines, und Laudamotion, ab 28. 10. 2018.
Erleben Trabi-Touren durch Krakau: www.crazyguides.com.
– Postindustrielle Kulturdenkmäler in Kattowitz: Neues Schlesisches Museum, muzeumslaskie.pl/en.
Essen Krakau: Restauracja Jarema, (ost)polnischen Spezialitäten, http://www.jarema.pl/de/.
– Kattowitz: Restaurant Chata z Zalipia, herzhafte polnische Gerichte, chatazzalipia.pl/restauracja-katowice
Hotels Andel’s Cracow: Designhotel mit gehobenem 4*-Komfort, erstklassiges Frühstück, beste Lage am Altstadtring. DZ/F ab 127,50 €. viennahouse.com
– Vienna House Easy Katovice: komfortables Haus, ab 84€ DZ/F. viennahouse.com
Auskunft www.polen.travel, www.krakow.travel/de, www.katowice.eu/de