Leben/Reise

Dubai: Shopping, Sonne, Superlative

Jana war schon fünf Mal in Dubai und damit fünf Mal öfter als ich. „Es ist gigantisch“, sagt sie. Und als ich sie frage, was ich bisher versäumt habe, meint sie: „Ganz schön viel.“ Als sich die Türen der Emirates öffnen, ist es Nacht und trotzdem so schön warm. Nur sechs Flugstunden von Wien entfernt hat sich also die Sonne versteckt. Die Fahrt zum Hotel Atlantis ist nicht lang. Nach 30 Minuten taucht es in der Ferne auf und sieht aus, wie ein verwunschenes Schloss in XXL. Gigantisch, Jana hatte recht. Türmchen und Spitzbögen, Kitsch und Tradition, perfekter könnte die Mischung aus 1001 Nacht und Disneyland nicht sein. Will man sie aber in ihrer Gesamtheit erfassen, hilft nur ein Perspektivenwechsel. Geoffrey ist gefragt.

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Der Pilot der Firma „Seawings“ führt Rundflüge über Dubai durch. „Anschnallen, gleicht geht es los“, sagt er und drückt den Gashebel nach vorn. Es ruckelt, doch wenig später gleitet das Wasserflugzeug fast schwerelos dahin. „Da drüben an der Küste ist dein Hotel“, schnarrt es im Kopfhörer. Majestätisch liegt das Atlantis an der Spitze von „The Palm Jumeirah“, einer von drei künstlichen Inselgruppen. Es ist nicht nur für Hotelgäste ein Magnet. Tagesbesucher sehen sich das riesige Aquarium „The Lost Chambers“ an, staunend, welche Geschöpfe das Meer bewohnen. Andere vergnügen sich im Wasserpark oder schwimmen in der Dolphin Bay mit klugen Delfinen.
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Geoffrey dreht ab und fliegt in Richtung Stadt. Von oben offenbart sich die beeindruckende Architektur. Gold glänzende Fassaden, in sich gedrehte Hochhäuser, Wolkenkratzer, die dünn wie Nadeln in den Himmel ragen und trotzdem stramm stehen wie Zinnsoldaten. Die Wüste lebt, wie der beliebig in den Sand gesetzte Streifen Beton beweist. Eine moderne Fata Morgana – unwirklich und trotzdem real. Mittendrin das herausragendste aller Gebäude: Der Burj Khalifa ist mit 828 Metern Höhe bis heute das höchste Bauwerk der Welt. Es symbolisiert, wofür Dubai einst stand. Höher, schneller, weiter, ehe die Krise dem Land seine Grenzen aufzeigte. So konnte das Prestigeobjekt nur mit Hilfe des Nachbaremirates Abu Dhabi fertiggestellt werden. Reich an Öl, das noch Hunderte Jahre sprudeln soll, hatte es das nötige Kleingeld zur Hand. Im Gegensatz zu Dubai, wo das Öl nur noch fünf Prozent des Landeseinkommens ausmachen und Tourismus immer wichtiger wird. Langsam scheinen aber bessere Zeiten anzubrechen, wie der „Dubai Al Maktoum International Airport“ beweist. Im Juni 2010 eröffnet, soll er bis zum Endausbau 2020 der kapazitätsmäßig größte Flughafen der Welt werden.
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Es schnarrt wieder im Kopfhörer. „Da unten ist The World“, sagt Geoffrey. Die Welt, die uns zu Füßen liegt, macht die Auswirkungen des Lehman-Debakels mehr als sichtbar. Traurig sieht sie aus, die Ansammlung künstlich aufgeschütteter Inseln, die einer Weltkarte gleichen sollen. Österreich, Schweiz, Deutschland: Alles da, nur steht nichts drauf. Bebaut wurden bisher nur zwei Inseln. Auf einer hat sich Scheich Muhammad, der Herrscher Dubais, eine Dependance gebaut. Er hat auch Michael Schumacher eine Insel geschenkt. Die Formel-1-Legende weiß aber bis heute nicht, was sie damit anstellen soll. Ein Lebenszeichen gibt es dafür aus dem Libanon, wo im Sommer 2012 der „Royal Island Beach Club“ eröffnet wurde.

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Noch einmal fliegen wir zurück in Richtung Stadt. Geoffrey deutet auf den Dubai Creek, den Meeresarm, an dem Dubai einst als Fischerdorf entstand. Die UNESCO überlegt, den Dubai Creek zum Weltkulturerbe zu ernennen. Auch Wissenschaftler wollen Dubai kulturell pushen und nehmen sich in Studien historischer Golfstädte und deren Erhaltung an. In der Tageszeitung „7 Days“ lese ich von Harvard-Professor Andreas Georgoulias, der die ältesten Stadtteile Dubais, Deira und Bur Dubai, als „absolut kulturell“ bezeichnet. Von wegen nur Shopping-Malls und Restaurant-Besuche. In Zukunft soll der Dubai-Urlauber zum Kulturfreak werden.
Auf den Souks, Märkten, wo Gold und Gewürze feilgeboten werden, herrscht Alltag in Reinkultur. Hier treffen unzählige Nationen aufeinander und leben doch friedlich zusammen. 85 Prozent der Bewohner kommen aus dem Ausland. Das Gewusel, Gefeilsche und Geschrei ist sehens- und hörenswert. Bisher wollen das aber erst zehn Prozent der 10 Millionen Besucher jährlich erleben. Geoffrey hat das Flugzeug mittlerweile zum Stillstand gebracht. Wir verabschieden uns und er gibt mir einen letzten Insidertipp mit auf den Weg: „Fahr unbedingt in die Wüste. Es ist gigantisch.“

Im „Al Maha Desert Resort“ weiß ich, was er meint. 1999 als Hommage an das traditionelle Leben im Emirat eröffnet, erstreckt es sich über weitläufige Wanderdünen und gleicht einem Luxus-Beduinenlager mit 42 Suiten. Privatsphäre ist das oberstes Gebot. Nur einige Onyx-Antilopen schauen hie und da vorbei. Auch wer die Ruhe nicht gesucht hat, findet sie hier. Nicht einmal im Restaurant wird man mit Musik beschallt. Im Privat-Pool mit Wüstenblick schon gar nicht. Die Stille tut der Seele gut. Nun kann auch ich es sagen. Dubai ist gigantisch. Selbst hier im Nirgendwo.