Im Angesicht des heiligen Berges
Von Tina Deschu
Ich schaue jeden Morgen aus dem Fenster zum Ararat", erzählt die armenische Reiseleiterin. "Wenn ich den Gipfel sehe, weiß ich, dass es ein guter Tag wird." Der sagenumwobene Berg ist Teil der Identität der Armenier, auch wenn er jenseits der Grenze in der Türkei liegt.
Ob uns ein guter Tag bevorsteht, wird sich erst zeigen: Statt des 5137 Meter hohen Gipfels bestaunen wir von der Klosteranlage Khor Virap aus eine Nebelwand. Dafür kann man für ein paar Dram seine Wünsche mit einer weißen Taube zum Himmel schicken. Oder – für Mutige – in jene Grube klettern, in der Gregor der Erleuchtete der Legende nach zehn Jahre in Gefangenschaft verbrachte, weil er sich weigerte, dem christlichen Glauben abzuschwören. Der Abstieg über die klamme Eisenleiter in die Steinkammer unter dem Altar bereitet ein mulmiges Gefühl.
Wiege des Weins
Über holprige Straßen geht es am nächsten Tag entlang der oberirdisch (!) verlegten Gasleitungen über die Grenze nach Georgien, in die alte Residenzstadt Gremi, einst Heimat der Heiligen Ketevan und bekanntes Weinbaubiet. Die Region Kachetien wird als die "Wiege des Weins" bezeichnet – der Rebensaft wird hier seit 7000 Jahren getrunken. Von der Qualität überzeugen wir uns im Weingut Khareba in Kvareli: Nach der Verkostung von Tsolikuri-Weißwein und Saperavi-Rotwein werden im Restaurant bei herrlichem Ausblick georgische Köstlichkeiten serviert (s. unten).
Die georgische und die armenische Küche haben viele Gemeinsamkeiten: In beiden Ländern sind die (kalten) Vorspeisen die eigentlichen Stars der Mahlzeit:
Mit Walnusspaste gefüllte Auberginen (Badridschani), luftgetrocknetes Rindfleisch (Basturma), (Geflügel-)Salat, Käse, gefüllte Weinblätter oder Ähnliches gehören zu jeder Mahlzeit. Dazu wird Fladenbrot (Lawasch) oder Chatschapuri gereicht, eine überbackene Käse-Flade, die einer Pizza ähnelt (auch zum Frühstück!).
Anschließend folgt Suppe, erst danach wird Fleisch in Form von Spießen oder Köfte serviert. Als Dessert gibt es Früchte statt Mehlspeisen – ansonsten wird in Georgien auf Süßes verzichtet. In Armenien hingegen ist man stolz auf seine saftigen Kuchen.
Unterschiede gibt es bei den Trinkgewohnheiten: Der in Georgien so beliebte Wein wird zwar auch in Armenien angebaut und verkauft, z. B. beim Weinfestival in Areni (www.areni.info). Lieber greift man aber zu Hochprozentigem wie Schnaps oder Brandy.
Bei einer Führung durch die "Yerewan Brandy Company" in Erewan kann das Nationalgetränk verkostet werden (www.araratbrandy.com).
Zu einem gelungenen Abendessen gehört in beiden Ländern musikalische Unterhaltung. Neben Musikern, die traditionelle Lieder zum Besten geben, werden auch Tanzgruppen engagiert. Diese Darbietungen werden nicht speziell für Touristen aufgeführt, sondern sind auch bei den Einheimischen sehr beliebt.