Wulffs Immunität soll aufgehoben werden
Von Walter Friedl
Der Vorstoß der Staatsanwaltschaft Hannover schlug Donnerstagabend wie eine Bombe ein. Die Behörde beantragte nämlich die Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten – ein in der Geschichte Deutschlands bisher einmaliger Akt. Es bestünde der Anfangsverdacht der Vorteilsannahme beziehungsweise der Vorteilsgewährung. Die Vorwürfe beziehen sich auf die Zeit von 2003 bis 2010, als der damalige CDU-Politiker Ministerpräsident Niedersachsens war. Am Freitagvormittag will Wulff eine Erklärung abgeben, auch Kanzlerin Merkel wird 30 Minuten nach ihrem Präsidenten vor die Presse treten.
Jetzt ist der deutsche Bundestag am Zug, der über den Antrag entscheiden muss. Vor der Aufhebung der Immunität, die das Staatsoberhaupt sowie alle Parlamentarier auf Bundes- sowie Landesebene vor Strafverfolgung schützt, sind der Staatsanwaltschaft die Hände gebunden, sie kann mit ihren Ermittlungen nicht beginnen. Bisher wurden lediglich Vorermittlungen gestartet.
Enge Unternehmer-Kontakte
Konkret beziehen sich die Verdachtsmomente unter anderem auf einen günstigen Kredit zu marktunüblichen Konditionen des Unternehmerpaares Geerkens. Wulff hatte die 500.000 Euro zur Finanzierung seines Eigenheims verwendet, im Landtag bei einer Befragung aber jede geschäftliche Verbindung zu Edith und Egon Geerkens bestritten. Ein anderer Vorwurf: Das Ehepaar Wulff habe in Domizilen befreundeter Unternehmer Gratis-Urlaube verbracht.
Mit dem Paukenschlag der Justiz am Donnerstag hat die Causa, die die Öffentlichkeit seit Mitte Dezember des Vorjahres beschäftigt, eine dramatische Wendung genommen. Selbst im schwarz-gelben Regierungsbündnis unter Kanzlerin Merkel, die Wulff nach dem überstürzten Abgang von Staatschef Horst Köhler ins höchste Amt gehievt hat, wachsen die Zweifel. Koalitionsabgeordnete erwarten für Freitag eine Erklärung des Staatschefs. Die Rufe nach einem Rücktritt werden immer lauter.
Seitens der Opposition bekräftigte die SPD ihre Forderung nach einem Abgang Wulffs, die Grünen forderten ihn auf, sein Amt ab sofort zumindest ruhen zu lassen.