Politik

Wettstreit über Umbaupläne der EU

Im Juni verließ die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel als Verliererin den EU-Gipfel. Der frischgewählte französische Staatspräsident François Hollande setzte sich mit seinem Wachstums- und Beschäftigungspakt gegen das deutsche Spardiktat durch.

Das nagte am Selbstverständnis der Deutschen, Europa zu führen. "So ein Regiefehler darf uns nicht mehr passieren", heißt es in Berliner Beraterkreisen. Seit Woen arbeiten Strategen daran, wie Merkel das EU-Ruder wieder an sich reißen könnte.

Fiskalunion

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Geschickt ließ die Kanzlerin Finanzminister Wolfgang Schäuble einen Masterplan vorstellen, der eine Fiskalunion mit einem mächtigen Währungskommissar an der Spitze vorsieht, der in nationale Budgets eingreifen kann.

Vor dem am Donnerstag in Brüssel beginnenden EU-Gipfel hat das für heftige Kontroversen gesorgt, vor allem die Franzosen verärgert. "Einmischung aus Brüssel in unser Budget, das ist undenkbar. Die Souveränität wird gebrochen", tönt es aus Paris.

Gerade darauf zielen die Berliner Pläne ab: Künftig sollen die Mitglieder mehr Rechte an Brüssel abgeben, der Fiskalunion soll eine Politische Union folgen, auch das ist nicht im Sinne Frankreichs. In zentralen Fragen zur Vertiefung der Währungsunion gehen Deutschland und Frankreich auf Kollisionskurs. Bei Eurobonds, beim Zieldatum für das Inkrafttreten der Bankenunion und der gemeinsamen Bankenaufsicht, dem eigenen Budget für die Euro-Länder und bei einer Änderung der EU-Verträge liegen die Positionen der beiden größten Mitglieder weit auseinander.

Schuldenunion

Ob Eurobonds oder Schuldentilgungsfonds, mit Berlin wird es eine Gesamtschulden-Haftung nicht geben. Anders hört es sich in Paris an: "Was uns angeht, so sagen wir Ja zu den Eurobonds", erwiderte der Europa-Minister Bernard Cazeneuve kurz vor dem Gipfel. "Die Mehrdeutigkeit ist nicht gut für die deutsch-französischen Beziehungen."

Präsident Hollande hat sich mit Italien, Spanien, Portugal und Malta abgestimmt, der Gipfel müsse den Weg frei machen, dass die gemeinsame Bankenaufsicht am 1. Jänner 2013 komme. Dies würde direkte Finanzspritzen beispielsweise für spanische und portugiesische Banken aus dem europäischen Rettungsfonds ESM ermöglichen.

Bankenunion

EU-Ratspräsident Van Rompuy stellt in seinen EU-Umbauplänen, an denen auch Kommissionspräsident Barroso, EZB-Chef Draghi und Euro-Vorsitzender Juncker arbeiten, eine gemeinsame Haftung für Schulden zur Debatte ebenso wie die Bankenunion.

Dafür ist auch Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann. Allerdings glaubt er, dass die Umsetzung der Bankenaufsicht länger als zwei Monate dauern werde.

In Brüssel will er sich für weitere Hilfen an Griechenland aussprechen. "Wenn es vielen nicht um Solidarität geht, so müssen sie doch den Zusammenhang mit allen wirtschaftlichen Auswirkungen sehen."

Faymanns Aussage wird mit einer neuen "Grexit"-Studie der deutschen Bertelsmann Stiftung unterstrichen: "Ein Euro-Austritt Griechenlands könnte einen Flächenbrand auslösen, der nicht nur die EU, sondern die Weltwirtschaft erfasst." Das reiche Deutschland müsste dann bis 2020 mit 137 Milliarden Euro Einbußen rechnen.

Britischer Premier treibt einen Keil in die EU

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Das hat der EU gerade noch gefehlt: Die Lösung der Schuldenprobleme, die Absicherung der Währungsunion und der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist mühsam genug. Jetzt kommen massive Probleme mit Großbritannien dazu, London wendet sich immer mehr von Europa ab. Gäbe es ein Referendum, würde laut Umfragen die Hälfte der Wähler sofort für den Austritt aus der EU stimmen.

Der Umgang mit den Briten war nie einfach, sie misstrauen der EU zutiefst und gelten als Rosinen-Picker in der EU: Wenn es um ihren wirtschaftlichen Vorteil geht, sind sie für die EU, als Exportland profitieren sie vom gemeinsamen Binnenmarkt, sonst bevorzugen sie aber ihre "splendid isolation". Am Euro nehmen sie nic ht teil, auch nicht am Fiskalpakt. Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik lehnt die Atommacht ab. Und von einer Schengen-Teilnahme halten sie nichts, Grenzkontrollen sind ihnen heilig.

Innenpolitisch motiviert will Premier David Cameron jetzt die Kooperation in allen Fragen der Innen- und Justizpolitik auf Eis legen. Er droht mit dem Veto gegen das mehrjährige EU-Budget, das noch gar nicht verhandelt ist. Und ob die britische Regierung die Einführung der Finanztransaktionssteuer in vorerst elf Ländern befürwortet, ist offen. Der verstärkten Zusammenarbeit müssen alle 27 Mitglieder zustimmen.

Ob dieses Verhaltens gibt es am Kontinent immer mehr Politiker, die den Briten nahelegen, sich für die EU oder dagegen zu entscheiden. "Dann sollen sie doch gehen", ist die weitverbreitete Meinung.

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