Wer kümmert sich um die Realwirtschaft?
Von Martina Salomon
In der Flut beunruhigender Nachrichten geht eines fast unter: Der heimischen Wirtschaft geht es gut – noch. Die Auftragsbücher sind voll, die Arbeitslosenquote im internationalen Vergleich niedrig. Kümmert es eigentlich irgendjemanden, was die Realwirtschaft, also die großen, mittleren und auch die kleinen nicht-staatlichen Unternehmen dieses Landes brauchen, um auch in Zukunft zu florieren und Arbeitsplätze im Land zu sichern? Sie kämpfen in Wahrheit längst mit einem planlosen, dafür teuren Bildungssystem, mit Fachkräftemangel, zum Teil absurden und kontraproduktiven Umwelt-Auflagen, konfusen Steuer-Diskussionen, Bürokratie und einer aggressiven Wirtschaftsfeindlichkeit in den Köpfen. (Jede heimische Straßenbefragung zur Börse würde ergeben, dass man diese vorwiegend negativ sieht, aber kaum mit der wichtigen Funktion der Wirtschafts-Finanzierung verbindet.) Alle wünschen sich Arbeitsplätze, aber niemand die Unternehmer dafür.
Mitarbeiter gesucht
Während man sich an den Unis um Seminarplätze in überlaufenen Modefächern balgt, gehen vielen Firmen die Fachkräfte aus. So haben die Chefs eines großen Versicherungsunternehmens kürzlich ihre Mitarbeiter beinahe händeringend aufgerufen, im eigenen Bekanntenkreis neue Mitarbeiter für den Verkaufsbereich zu werben. Die heimische Industrie fahndet in Deutschland nach Technikern. Und viele Gewerbebetriebe suchen Lehrlinge, die zumindest Grundrechnungsarten beherrschen. Obwohl Österreichs Modell der "dualen Ausbildung" als international vorbildlich gilt und die Abgänger weltweit Medaillen einheimsen, ist das Image des Lehrberufs im Keller – völlig zu Unrecht. Denn das Sprichwort, dass das Handwerk "goldenen Boden" hat, bekommt in der Krise wieder neue Bedeutung. In der westlichen Welt ist man von der Finanz- und Dienstleistungsgesellschaft ernüchtert und will künftig wieder mehr auf Produktion setzen. Das Konzept, praktisch jede "echte" Arbeit nach China oder Indien auszulagern, ist gescheitert.
Abwanderungstendenz
In Österreich wiederum ist viel Wertschöpfung in Schwarzarbeit versteckt. Legale Arbeit ist oft zu teuer. Das hat mit Profitgier, mangelnder Konkurrenz, – aber auch mit exorbitant hohen Lohnnebenkosten zu tun. In anderen Ländern rollt man Firmen, die sich neu niederlassen wollen, den roten Teppich aus – etwa mit mehrjähriger Steuerbefreiung. Wenn immer weniger Argumente für den Wirtschaftsstandort Österreich sprechen, werden sich noch mehr Leistungsbereite und Innovative ins Ausland verabschieden.
Das KURIER-Interview vergangenen Sonntag mit dem "Steve Jobs" Englands, dem Auslandsösterreicher Hermann Hauser, stimmte nachdenklich. Er sei durchaus bereit, Österreichs Regierung seine internationale Wirtschafts-Expertise zur Verfügung zu stellen. Allein, es hat ihn (und viele andere im Ausland extrem erfolgreiche Österreicher) seit zehn Jahren niemand gefragt.