Richtspruch über Warlord Taylor
Von Walter Friedl
In Den Haag könnte heute ein historischer Richterspruch fallen: Denn sollte Charles Taylor – von 1997 bis 2003 blutrünstiger Staatschef von Liberia – schuldig gesprochen werden, wäre er der erste (ehemalige) afrikanische Präsident, der vor einem internationalen Tribunal zur Verantwortung gezogen würde. Elf Punkte umfasste die Anklage – von Mord über Vergewaltigung bis zur Rekrutierung von Kindersoldaten und Versklavung.
Der nun 64-Jährige startete seine Gewaltexzesse Ende der 1980er-Jahre. Damals entfachte er in Liberia eine Rebellion. Vor deren Beginn erschoss er angeblich einen Bauern und trank dessen Blut, um unbesiegbar zu werden. Später soll er seine Mitkämpfer aufgefordert haben, die Herzen der von ihnen getöteten Männer und Frauen herauszureißen und zu essen. Taylor und seiner Mörderbande gelang es, 1997 die Macht in einer absurden Wahl zu erobern – um sechs Jahre später von Aufständischen verjagt zu werden.
In Den Haag standen diese Blutorgien aber gar nicht zur Debatte. Vielmehr ging es um die Verantwortung Taylors als Staatsoberhaupt für die Gräueltaten während des Bürgerkriegs im benachbarten Sierra Leone. Dort rüstete der einstige Warlord die extrem brutale Rebellentruppe RUF auf. Deren Markenzeichen war es, Zivilisten mit Macheten Arme und Beine abzuhacken. Und die meist mit Drogen voll gepumpten Kampfmaschinen missbrauchten jede Frau, derer sie habhaft wurden.
Blutdiamanten
Laut Anklage wurde der Verbündete in der liberianischen Hauptstadt Monrovia für die Waffenlieferungen mit "Blutdiamanten" bezahlt. Deswegen so genannt, weil sie die Kriegswirren verlängerten, die in Sierra Leone erst durch das Eingreifen der westafrikanischen Friedenstruppe ab 1999 beendet werden konnten.
Ein spektakulärer Höhepunkt des Prozesses vor dem UN-Sondertribunal für Sierra Leone, der aus Sicherheitsgründen nach den Haag verlegt worden war, war der Auftritt des britischen Topmodels Naomi Campbell. Sie soll von Taylor Diamanten geschenkt bekommen haben. Ihre Ausführungen gingen 2008 um die Welt: Campbell hatte 1997 auf Einladung des damaligen südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela an einem Benefiz-Dinner teilgenommen. Mit von der Partie waren auch die US-Schauspielerin Mia Farrow und eben Charles Taylor.
Dieser soll nächtens seine Lakaien ausgeschickt und der Britin ein Säckchen Diamanten in ihr Zimmer bringen haben lassen. Campbell bestritt nicht die Übergabe, konnte oder wollte aber nicht sagen, dass die Pretiosen von Taylor stammten – sehr zum Ärger der Anklage.
Ob die Beweisketten stark genug waren, wird der heutige Richterspruch zeigen. Taylor selbst hat auf unschuldig plädiert. Auch seine Frau Victoria glaubt an einen Freispruch. Ihr Mann sei ein Familienmensch und tief religiös. Eine eventuelle Haftstrafe müsste Taylor in Großbritannien verbüßen.
Tribunale: Gesuchte und Gefangene
Auf der Flucht Noch auf freiem Fuß ist Sudans Präsident Omar al-Bashir. Er ist das erste amtierende Staatsoberhaupt, das per internationalem Haftbefehl wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gesucht wird. Der derzeit prominenteste Fall ist Joseph Kony. Dem berüchtigten Warlord Ugandas wird vorgeworfen, Zehntausende Kinder als Soldaten rekrutiert zu haben.
In Haft Gaddafi-Sohn Saif al-Islam ist angeklagt, sitzt aber zurzeit in einem libyschen Gefängnis. Auf seinen Prozess wartet der Ex-Präsident von Cotê d`Ivoire, Laurent Gbagbo, der mehr als 300 Menschenleben auf dem Gewissen haben soll. Seinem Urteil entging Slobodan Milosevic. Er starb vor Ende des Prozesses. Die Verhandlungen gegen Radovan Karadzic und Ratko Mladic laufen noch.
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