Politik

Putins rätselhafter Rivale Prochorow

Das ist die wichtigste Entscheidung meines Lebens gewesen“, sagte der Multimilliardär Michail Prochorow, als er auf einer Pressekonferenz bekannt gab, er werde bei den Präsidentenwahlen im kommenden März kandidieren. Dabei hoffe er vor allem auf die Unterstützung des Mittelstandes – junger, gebildeter und gut verdienender Großstädter, die Motor der Massenproteste sind.

Mit deren Hilfe will der 46-jährige Magnat auch die zwei Millionen Unterschriften zusammenbekommen, die er für die Registrierung braucht. Sammeln muss sie eine Initiativgruppe von mindestens 500 Personen, die sich bis spätestens 15. Dezember – Donnerstag – konstituieren muss. Die Hürden scheinen unüberwindbar.

Der zwei Meter große Hüne Prochorow indes gab sich gelassen. „Ich bin nicht der Mann, der auf halbem Wege stehen bleibt.“

Und er hat, obwohl er sich in seinem Wahlkampf nach eigenen Worten nicht auf Kritik von Premier Wladimir Putin und dessen Hausmacht „Einiges Russland“ konzentrieren will, mit beiden und mit staatsnahen Polittechnologen noch eine Rechnung offen.

Ausgerechnet Prochorow, gerade mal 46 Jahre jung, Chef der Finanzgruppe Onexim, laut Forbes-Liste mit einem geschätzten Privatvermögen von 18 Milliarden US-Dollar derzeit der dritt-reichste Mann Russlands und der breiten Öffentlichkeit vor allem durch Sexorgien in den französischen Alpen bekannt, sollte im Frühsommer, als Präsident Dmitri Medwedew noch um eine zweite Amtszeit kämpfte, für diesen die Unterstützung des Großkapitals bündeln.

Notfalls gegen Putin. Eigens dazu sollte er die halb tote neoliberale Partei „Rechte Sache“ reanimieren und neu konfigurieren. Die wählte Prochorow auf ihrem Parteitag pflichtgemäß zum Vorsitzenden. Doch dann putschten Putins Paladine gegen den politisch frisch gefangenen Milliardär, der zunehmend eigene Vorstellungen entwickelte, und rissen die Macht an sich. Ihnen folgte die Mehrheit der Partei. Sie kam bei den jüngsten Dumawahlen am 4. Dezember auf gerade einmal 0,6 Prozent.

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Sinnen auf Rache

Prochorow und dessen Anhänger dagegen hatten den Parteitag unter Protest verlassen und sinnen seither auf Revanche, scheiterten mit einer Neugründung jedoch an der rigiden Parteiengesetzgebung. Deren Lockerung gehört auch zu den Kernforderungen der Massenproteste.

Beobachter reagierten skeptisch auf Prochorows Kreml-Ambitionen. Rivalen aus dem neoliberalen Lager wie die nicht zugelassene Partei der Volksfreiheit von Ex-Premier Michail Kasjanow, mutmaßen, Prochorow werde sich, wenn Putin ihm verbindliche Besitzstandsgarantien anbietet, allen Ressentiments zum Trotz dennoch vor dessen Karren spannen lassen und im Wahlkampf den Part seines Pseudo-Gegenspielers geben.

Andere, darunter Wladimir Pribylowski vom Think tank „Panorama“, glauben, Prochorow gehe auf eigene Prokura anschaffen und habe durchaus Chancen, von der extrem heterogenen außerparlamentarischen Opposition als gemeinsamer Herausforderer Putins akzeptiert zu werden.

Dass dies Kopf und Kragen kosten kann, musste schon der frühere Yukos-Chef und Multi-Milliardär Michail Chodorkowski erfahren. Als der Ölmagnat politische Ambitionen entwickelte, griff der Staat zu, zerschlug den Konzern und ließ Chodorkowski einsperren. Prochorow, den unverheirateten Bewunderer schöner Frauen, fanatischen Basketballspieler und Besitzer des US-Teams „New Jersey Nets“ ficht das nicht an: „Ich habe nichts Illegales getan und deshalb nichts zu befürchten.“