Neue Ideen für die Demokratie
Von Daniela Kittner
Mit dem Sauberkeitspaket hat die Regierung eine erste Antwort auf den steigenden Polit-Frust gegeben. Nun soll noch eine Demokratiereform folgen. Kern der Debatte ist eine stärkere Bürgermitbestimmung. Bei inhaltlichen Fragen soll es mehr direkte Demokratie geben, beim Polit-Personal sollen die Bürger mittels Vorzugsstimmen mehr mitreden.
Wie groß sind die Umsetzungs-Chancen für mehr Bürgermitbestimmung? Der KURIER hörte sich unter den Parlamentsparteien um.
Direkte Demokratie
Zwingende Volksabstimmungen gibt es derzeit nur bei wesentlichen Verfassungsänderungen wie beim EU-Beitritt 1994. Die Politik muss ein Gesetz machen, die Bürger stimmen darüber ab. Das Ergebnis ist bindend.
Volksbegehren gibt es oft – und sie führen genau so oft zu Frust. Sie werden ab 100.000 Unterschriften zwar im Nationalrat "besprochen", aber das war’s dann.
Volksbefragungen (Ergebnis nicht bindend) gab es bundesweit noch keine.
Änderungsvorschläge: ÖVP, FPÖ und Grüne wollen Volksbegehren aufwerten. Ab einer bestimmten Unterstützeranzahl (ÖVP: 10 % der Wahlberechtigten, also ca. 600.000; FPÖ: 250.000; Grüne: 200.000) soll über das Thema zwingend eine Volksabstimmung abgehalten werden. Die SPÖ wendet ein, man müsste viele Themen – etwa Grundrechte – ausnehmen. Die SPÖ will Volksabstimmungen erleichtern, indem man dafür nicht mehr unbedingt ein Gesetz (und damit Einigkeit in der Regierung) braucht. Man soll auch über Gesetzesvorschlägeabstimmen können – das wäre eine Volksbefragung mit bindendem Ausgang.
Realisierungschancen: Mittelmäßig. Es erkennen zwar alle Handlungsbedarf, aber Einigung über ein Modell zeichnet sich nicht ab.
Direktwahl von Abgeordneten
Derzeit reihen die Parteien die Kandidaten auf Listen. Wer weit genug vorne steht, kommt ins Parlament. Bürger können jetzt schon Vorzugsstimmen vergeben, aber die erforderliche Stimmen-Zahl, um die Reihung umzuwerfen, ist so hoch, dass dies kaum je passiert. Auf diese Art halten sich die Parteien die Abgeordneten in Abhängigkeit.
Änderungsvorschläge: Die ÖVP will 100 Abgeordnete direkt wählen lassen: Wer mehr Vorzugsstimmen hat, kommt in den Nationalrat. SPÖ, FPÖ und Grüne sind dagegen. Rot-Blau argwöhnt, dieses Modell würde betuchte Kandidaten bevorzugen, weil nur diese sich einen eigenen Wahlkampf leisten könnten. Die Grünen befürchten, dass zu viele "Bezirkskaiser" im Nationalrat einziehen, Experten oder die Frauenquote blieben auf der Strecke. Die SPÖ will im geltenden Vorzugsstimmensystem die Hürden für die Umreihung senken.
Realisierungschancen: Gering, höchstens in kosmetischen Dosen wie im SPÖ-Modell.
Regierungshearing
Minister und Staatssekretäre werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten angelobt. Immer öfter lässt die Qualität des Personals zu wünschen übrig.
Änderungsvorschlag: Vor der Angelobung sollen sich die angehenden Regierungsmitglieder einem öffentlichen Hearing im Nationalrat stellen. Der Zwang zur Qualität würde die Parteisystematik (Zugehörigkeit zu Bund, Land etc.) in den Hintergrund drängen.
Realisierungschance: Hoch. SPÖ, ÖVP, FPÖ, BZÖ, Grüne dafür.
Behördenunterlagen öffentlich machen
Der Zugang zu Behördenunterlagen unterliegt keinen klaren Regeln. Allzu oft filtert die Regierung, was sie herausgeben will.
Änderungsvorschlag: Behördenunterlagen sind grundsätzlich öffentlich, außer es widerspricht dem Datenschutz oder Sicherheitsinteressen.
Realisierungschance:Hoch. SPÖ, ÖVP Grüne sind dafür.
Quellen für die Story: Josef Cap (SPÖ), Demokratiepaket der ÖVP, Harald Vilimsky (FPÖ), Dieter Brosz (Grüne). Das BZÖ hat noch keine Vorschläge, vielleicht übernimmt es die von Frank Stronach ("per Zufallsgenerator ins Parlament").
Direkt-Wahl "mühsam, aber machbar"
ÖVP-Chef Spindelegger will, dass das Gros der Abgeordneten künftig direkt gewählt wird. Was sagen seine Abgeordneten dazu?
"Vom Prinzip her halte ich das für gescheit. Es ist ein kleines Puzzlestückchen, das dazu beitragen kann, dass die Politikverdrossenheit sinkt", meint Christine Marek . In Wien sei das Sammeln von Vorzugsstimmen zwar mühsamer als auf dem Land, aber "da muss man eben viel unterwegs sein. Dafür darf man sich nicht zu schade sein."
Der Niederösterreicher August Wöginger hat bei der letzten Nationalratswahl die meisten Vorzugsstimmen aller Kandidaten in seinem Wahlkreis Innviertel erhalten. Dennoch hat er Bedenken: "Es darf nicht sein, dass diejenigen zum Zug kommen, die das meiste Geld haben. Wir brauchen einen Querschnitt aus der Bevölkerung im Parlament."
ÖVP-Verkehrssprecher Martin Bartenstein hat eine Idee, wie sich auch weniger bemittelte Bürger einen Vorzugsstimmen-Wahlkampf, für den man zwischen 10.000 und 30.000 Euro veranschlagen müsse, leisten können: "Man sollte den Kandidaten auf Basis völliger Transparenz die Möglichkeit geben, Spenden anzunehmen."