Politik

Moralisch tadellose Mächtige gesucht

Alles Verbrecher, olles Gfrasta: An deutschen und österreichischen Stammtischen wird man das jetzt noch häufiger hören. Trotz vorerst glimpflich überstandener Finanzkrise und trotz guter Wirtschaftsdaten befindet sich die Politik in einem heftigen Imagetief. Der deutsche Bundespräsident stolperte unter anderem über Urlaube, die befreundete Geschäftsleute zahlten. Und die Telekom-Affäre zeigt, wie eine teilstaatliche Firma Politiker finanzierte.

Die Lehren daraus? Natürlich muss die Parteienfinanzierung in Österreich transparenter werden. Aber hüten wir uns davor, die Politik pauschal als korrupt abzuqualifizieren. Nichts wäre gefährlicher. Spitzenpolitik ist ein knallharter Job mit wenig Privatleben und schlechter Nachrede. Wer soll sich das in Zukunft noch antun? Den aseptischen Mächtigen gibt es leider kaum – Deutschland bemüht sich gerade, einen solchen für das Amt des Bundespräsidenten zu (er)finden.

Auch ein Expertenkabinett wie in Italien funktioniert nur als Übergangsregierung. Ob Beamte oder Ex-Banker bessere Staatslenker wären, ist außerdem fraglich. Die Parteienrepublik hat Sinn – wenn die allgegenwärtige "Wir werden es uns schon richten"-Mentalität beendet wird (wozu auch zählt, dass sich keine Partei versteckt eine Zeitung halten sollte). Unangenehmerweise profitieren von politischen Skandalen meist jene, die dafür besonders anfällig sind. Die Populisten, die sich als Robin-Hood-Partei stilisieren, bedienen sich selbst reichlich, sobald sie am Futtertrog sitzen – siehe Telekom.

Die Affäre zeigt aber auch wieder einmal, dass staatsnahe Firmen für politischen Missbrauch anfällig sind. Vollständige Privatisierung ist das einzige Rezept dagegen –, aber bitte, ohne dass wieder eine Freunderl-Partie wie bei der BUWOG von sprudelnden Provisionen profitiert.

Sponsoring ist nicht böse

Sollte jetzt wegen der Telekom-Affäre jemand auf die Idee kommen, Sponsoring prinzipiell zu verdammen, dem sei gesagt: Kein Hahnenkammrennen kommt ohne Sponsor aus, keine großen und kleinen Festspiele. Und auch viele Sozial-Initiativen gäbe es ohne Firmen-Unterstützung nicht.

Die Aktivitäten der Telekom sollen auf keinen Fall verharmlost werden, aber das Kind darf auch nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden: Wenn Politiker vor und nach ihrer Parteikarriere de facto Arbeitsverbot haben, wird sich niemand Vernünftiger mehr finden.

Deutschlands Ex-Außenminister Joschka Fischer hat es im Polit-Magazin Cicero kürzlich auf den Punkt gebracht: "Ich habe mein Leben so geführt, dass ich den hohen moralischen Standards, die neuerdings an öffentliche Ämter durch die Medien angelegt werden, nicht mehr gerecht werde. Demnächst wird der Bundespräsident über das Wasser wandeln müssen, und dann wird man ihn fragen, ob er am Ende den Erwerb dieser Fähigkeit sich nicht hat subventionieren lassen." Der fehlerhafte Christian Wulff hat gestern seinen Hut genommen. Und der Ex-Grüne ist Lobbyist – ausgerechnet für das Pipelineprojekt Nabucco.