Politik

Moderne Muslima widerlegen Vorurteile

Arabische verschleierte Frauen, die bei jedem Schritt auf ihre Brüder, Väter oder Männer angewiesen sind; die sich alleine nicht zu helfen wissen, keine Karriere machen und nur daheim bei ihren Kindern sind; für die aktive Politik kein Thema ist - gängige Geschichten dieser Art sucht man bei Judith Hornok vergeblich. Dutzende berufliche Reisen in die Golfstaaten, zahlreiche Gespräche mit einflussreichen Männern und nicht minder bedeutenden Frauen haben die österreichische Journalistin eines Besseren belehrt.

Sie habe selbstbewusste, gut ausgebildete Muslima kennengelernt, erzählt Hornok dem KURIER. Frauen, die in der Öl- und Gasindustrie ihr Geld verdienen oder die sich im Mode- und Kulturbereich international einen Namen gemacht haben; die mit dem Rennauto rasante Kilometer hinlegen, das Land politisch mitgestalten, sich um ihre Kinder kümmern und die sich gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung stark machen. Frauen eben, die Tradition und Moderne unter einen Hut bekommen wollen, so die Kommunikationsexpertin.

Mittlerweile kennt Hornok die Kultur- und Geschäftswelt im arabischen Raum so gut, dass sie ihre Erfahrungen mit Unternehmern aus dem Westen teilt. In interkulturellen Trainings lernen sie, worauf sie bei der Geschäftsanbahnung, bei Verhandlungen und in der Zusammenarbeit mit Arabern achten müssen.

Plädoyer

Über die Rolle der arabischen Frauen in einer sich wandelnden Zeit hält Hornok, die für Verlage im Mittleren Osten schreibt, weltweit Vorträge. In einem Buch will sie ihre Botschaft jetzt auch den Österreichern nahebringen: "Bitte beurteilt nichts, was ihr nicht selber gesehen habt", lautet ihr Plädoyer. Oder eben, was ihr nicht genau nachgelesen habt. In ihren Interviews kommen Frauen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zu Wort, die beruflich wie privat die Fäden in die Hand nehmen.

In den von Hornok festgehaltenen Gesprächen gewähren die Frauen Einblicke in die traditionelle Struktur der Gesellschaft, in der sie leben. Und sie zeigen, was moderne Frauen in den Emiraten von sich und auch von Geschäftspartnern erwarten: "Wenn du ein Haus kaufst, musst du deine Nachbarn kennen und wissen, ob du mit ihnen auskommen kannst oder nicht. Ansonsten solltest du vielleicht über eine andere Gegend nachdenken. Das Gleiche gilt, wenn man sich in ein neues Unternehmen einkauft. Du musst die Chemie mit dem Management austesten und entscheiden, ob die Beziehung auf längere Sicht wachsen kann", fasst eine Frau die Notwendigkeit, sich aufeinander einzulassen, zusammen.

Kinder der Wüste

Sie könne sich noch gut erinnern, wie sie nach den Terroranschlägen von 9/11 ängstlich und voller Vorurteile zum ersten Mal in die Region gekommen sei, erzählt Hornok lächelnd. All die Sorgen, dass sie von der Männergesellschaft nicht akzeptiert werden würde, dass man ihr ihren westlichen Lebensstil vorhalten könnte, waren bald wie weggewischt. Statt der Befürchtungen bekam sie die Gastfreundschaft der Araber zu spüren und war von der Fröhlichkeit, dem ausgeprägten Familienleben und vom guten Geschäftssinn der Leute fasziniert.

"Die alten Generationen beeinflussen uns immer noch. Ich spüre immerzu, dass wir Kinder der Wüste sind", fasst eine der Interviewten zusammen, was Hornok so gefällt. "Wir bleiben einfache und effiziente Menschen. Weißt du, es ist gar nicht so lange her, als unsere Vorfahren, die Beduinen, wussten, wie man in der Wüste überlebt - sie waren schon immer klug und folgten ihren Instinkten. Damals wurden Vereinbarungen zwischen Unternehmen mit einem einfachen Händedruck abgeschlossen, was den Respekt, das Vertrauen und die Integrität der Beduinen widerspiegelte."

Judith Hornok, "Moderne arabische Frauen", Styria, 160 S., 29,99 €