"Ministerin Schnelle Zunge" provoziert alle
Von Maria Kern
Vor dem Vorhang hatte es gestern den Anschein, als wäre in der Regierung alles in bester Ordnung. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) zählte auf, dass im Ministerrat zehn Gesetze auf den Weg gebracht worden seien: So werde etwa ein neues Bundesamt für Asyl und Migration geschaffen, Bezirksgerichte würden zusammengelegt, die Gewerbeordnung würde novelliert.
Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) ergänzte, durch das neue Bundesamt für Asyl würden 194 Behörden ersetzt: "Das ist ein gewaltiger Schritt in Richtung Verwaltungsreform."
Einen Streit über die Causa Muhm (siehe unten), nein, einen solchen gebe es nicht, erklärten die Koalitionsspitzen. Sachfragen und Personalbesetzungen würden nicht verquickt. Wobei Spindelegger mit süffisantem Lächeln hinzufügte: "Es wäre doch das erste Mal in Österreich, dass Personalfragen mit Sachfragen verknüpft werden."
Krisensitzung
Hinter den Kulissen brodelt es hingegen gewaltig. Noch vor dem Ministerrat hatte es eine Krisensitzung im Kanzleramt gegeben. Mit dabei waren neben Faymann und Spindelegger die beiden Regierungskoordinatoren Josef Ostermayer (SPÖ) und Maria Fekter (ÖVP).
Die SPÖ ist sauer auf die ÖVP. Ihr Zorn richtet sich primär gegen Finanzministerin Fekter. Der Grund: Am Sonntag hatte es noch nach einer Einigung im Fall Muhm ausgesehen, doch Montagabend war – wie berichtet – plötzlich alles anders.
Fekter, so die SPÖ-Version, habe immer mehr Forderungen für ihre Zustimmung zur Verlängerung des Mandats von Muhm (ein Faymann-Vertrauter) im Aufsichtsgremium der Nationalbank gestellt. Sogar die Einführung von Studiengebühren (ein No-go für die SPÖ) habe sie ins Spiel gebracht. Finanzstaatssekretär Andreas Schieder machte seinem Unmut vor der Regierungssitzung öffentlich Luft. Wer glaube, die SPÖ stimme jeder inhaltlichen Entscheidung nur wegen eines Postenwunsches zu, der irre. Die Vorgangsweise "friss, Vogel, oder stirb" werde seine Partei nicht akzeptieren.
In Fekters Umfeld heißt es, man habe sich mit den Roten auf eine niedrigere Flugticket-Abgabe, die Einführung einer Bilanzpolizei und eine Neubewertung der Einheitswerte für die Bauern geeinigt (siehe unten). Doch am Montag habe die SPÖ ihre Zusagen zurückgezogen.
Die SPÖ kontert, Fekter habe ihre Forderungen ohne Begutachtung im Ministerrat "durchpeitschen" wollen. Zu einer "Husch-Pfusch-Aktion" sei man nicht bereit.
Unnötig
Dass der Regierungskonflikt dem Ansehen der Koalition schadet, verhehlen Regierungsmitglieder nicht. Sozialminister Rudolf Hundstorfer sagte: "Ich finde das alles unnötig. Diese Diskussionen führt man nicht via Medien." Auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner gestand ein, es sei nicht ideal, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehe, dass Posten und Inhalte verknüpft würden. Nur ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf gab sich bei der Frage nach dem Koalitionsklima zugeknöpft. Er sagte nur: "Ich bin kein Klimaforscher."
Ein Politik von innen von Daniela Kittner zur "Eklat-Ministerin" lesen Sie hier.
Streitpunkte: Personal- und Sachfragen
Causa Muhm Die SPÖ will, dass das Mandat von AK-Direktor Werner Muhm im Generalrat der Nationalbank verlängert wird. Ministerin Fekter war anfangs dagegen, wäre bei Zustimmung zu anderen Vorhaben (siehe unten) zu Kompromissen bereit.
Flugticketabgabe Fekter will die Abgabe von acht Euro auf Tickets für Kurzstrecken-Flüge auf sieben Euro und jene für Mittelstrecken-Flüge von 20 auf 15 Euro senken. Die SPÖ will zuvor noch Gutachten einholen.
Einheitswerte Die Besteuerung von Landwirten soll geändert werden. Die SPÖ, allen voran die Arbeiterkammer, will die Steuervorteile für Bauern (Pauschalierung) kippen. Die ÖVP will nur Einheitswerte neu berechnen.
Bilanzpolizei Fekter will, dass ein Verein von Wirtschaftstreuhändern künftig die Bilanzen der börsennotierten Unternehmen auf Unregelmäßigkeiten prüft. Die SPÖ will, dass die Prüfkompetenz primär bei der Finanzmarkt-Aufsicht (FMA) liegt.
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