Wird das Elektro-Auto die Welt retten?
Von Bernhard Gaul
2026 will die EU-Kommission den Beschluss zum Aus für neue Verbrennerautos „evaluieren“, also prüfen, ob der Plan bis zum Jahr 2035 realisierbar ist. Parteien wie die ÖVP und die FPÖ wollen den Beschluss kippen und sind damit in der EU nicht alleine: Doch um das beschlossene Verbot wieder aufzuheben, ist erneut eine Zweidrittelmehrheit (qualifizierte Mehrheit) im EU-Ministerrat nötig. Das zeichnet sich nicht ab.
Verkehrswende ist fern
Die Verkehrswende ist bei Weitem nicht so rasch wie von Forschern, Politikern und den Autokonzernen erhofft: Zu teuer, zu wenig Reichweite und mangelnde Lademöglichkeiten daheim oder bei der Arbeit, wird hier kritisiert.
Weniger E-Autos
Die Statistik zeigt: auf das bisherige Jahr gesehen bleibt mit bisher 32.632 neuen E-Autos ein Minus von 6,5 % im Vergleich zu den ersten neun Monaten des Vorjahres. Der E-Anteil bei Neuzulassungen liegt bei 17 %, Hybride kommen auf etwa 30 %.
Fossile werden teurer
Selten wird erwähnt, dass mit dem Emissionshandel II ein Mechanismus beschlossen wurde, der Benzin und Diesel ab 2027 jedes Jahr ein bisschen teurer machen wird, also jedem Verbrenner-Käufer früher oder später verteuerte Spritkosten drohen.
Aber wird das E-Auto die Erde retten? Die Frage ist natürlich falsch gestellt, die Erde existiert seit etwa viereinhalb Milliarden Jahren und sie wird es weitere fünf Milliarden geben (bis der Sonne der Brennstoff ausgeht). Die Frage ist eher, ob das E-Auto eine Maßnahme im Kampf gegen den Klimawandel sein kann. Und die Antwort ist : Jein.
Lebenszyklus
Studien zeigen, dass über einen Auto-Lebenszyklus von 20 Jahren die Treibhausgas-Bilanz eines mit Ökostrom geladenen E-Fahrzeugs nur ein Fünftel dessen hat, was alle anderen Kfz (Benzin, Diesel, Biomethan oder aus Erdgas erzeugtem Wasserstoff) emittieren. Denn jeder getankte Liter Sprit verbrennt bis zu 2,8 Kilo (Benzin) bzw. 3,2 kg (Diesel) Kohlendioxid (CO2). Kohlendioxid. Und genau das soll vermieden werden.
Recycling von Akkus
Die Recycling-Industrie verspricht, dass die großen Akkus der E-Autos künftig zu weit über 90 Prozent wiederverwendet werden können, und das – anders als bei Plastik– ohne Qualitätsverlust.
Seltene Erden
Vor allem aus China häufen sich die Nachrichten von neuen, supereffizienten, mit immer weniger „seltenen Erden“ erzeugten Akkus. Im Juli stellte die chinesische Geely Auto Group einen neuen Akkutyp mit einer „Lebenszeit“ von einer Million Kilometer vor, der also kaum degradiert. Und im April präsentierten die Chinesen von CATL einen billigen Lithium-Eisen-Phosphat-Akku, der Fahrten von 1.000 Kilometern ermöglichen soll.
Synthetische, klimaneutrale Kraftstoffe
Die größte Hoffnung, dass Verbrenner weiter betrieben werden können, heißt: E-Fuels. Das sind künstlich erzeugte (synthetische), klimaneutrale Kraftstoffe, die man wie Benzin oder Diesel tanken und im Motor verbrennen kann. Tatsächlich dürfen neue Verbrenner auch nach 2035 nach geltenden Regeln verkauft werden, wenn gewährleistet werden kann, dass diese Neuwagen nur mit E-Fuels betrieben werden.
Doch der Hype um E-Fuels hält einer Überprüfung mit der Realität einfach nicht stand.
Erstens kann die Physik nicht ausgetrickst werden: Auf der einen Seite steht ein Windrad, das Strom erzeugt, der direkt in die Batterie eines E-Autos fließt. Die Übertragungsverluste sind gering.
Oder aber: Mit einem Windkraftwerk wird Strom für eine Elektrolyse erzeugt, in der Wasser (H2O) unter viel Energieverlust gespalten wird, um Wasserstoff zu erzeugen. Dann benötigt man, damit die E-Fuels klimaneutral werden, Kohlenstoff aus dem CO2 der Luft, was durch Filtertechnologien wieder mit viel Energie und viel Energieverlust einhergeht. Dann gibt es ein eigenes chemisches Verfahren, bei dem der Wasserstoff mit dem Kohlenstoff unter Zufuhr großer Energiemengen zu tankbaren Flüssigkeiten verwandelt wird.
Damit nicht genug: Die EU verlangt zudem, dass sichergestellt wird, dass die gesamte Produktion als auch die Anlieferung der E-Fuels (in Elektro-Tankwagen?) zu jeder Tankstelle klimaneutral stattfinden muss.
Dass ist der Grund, warum über E-Fuels seit Jahren gesprochen wird und Ankündigungen gemacht werden, dieser in Wahrheit aber nur in Apothekerdosen zu Apothekerpreisen vorhanden ist.
Ökostrom
Ein (lösbares) Problem stellt die Versorgung der E-Autos mit (klimaneutralem) Ökostrom dar, Österreich leistet das bereits in einem hohen Ausmaß, doch der fossile Anteil bei der Stromproduktion in der EU liegt bei 38 Prozent, auch wenn der Anteil sinkt. Sollten alle Autos in Österreich auf Stromer umgestellt werden, würde das einen Mehrbedarf beim Strom von etwa 15 Prozent ausmachen.
Verbrennerverbot in EU?
International ist vor allem Norwegen im Fokus, das bereits ab 2025 den Verkauf von Verbrennern bei Neuwagen verbieten will. Da die Zulassungszahlen von E-Autos derzeit bei über 90 Prozent im Vergleich zu Hybriden oder reinen Verbrenner liegen, wird das ohne große Probleme über die Bühne gehen.
Losverfahren in China
In Chinas gibt es kein allgemeines Verbot von neuen Verbrennern, doch greifen Mechanismen, wie etwa, dass in Großstädten wie Peking Verbrenner nur mehr per Losverfahren zugelassen werden, was zu langen Wartezeiten führt. Das spricht für die Verkehrswende weg von Verbrennern, hin zu den E-Autos.
Autodichte
Forscher warnen vor falschen Vorstellung, man könnte oder sollte weltweit einfach alle Verbrenner durch E-Autos ersetzen. Die höchste Autodichte (Pkw pro Einwohner) gibt es in den USA mit rund 800 Autos/1.000 Einwohnern, die EU ist mit rund 600 Fahrzeugen nur knapp dahinter. Wenn bevölkerungsreiche Staaten wie China (derzeit 300 Autos/1.000 Einwohner), Indien (50 Autos) oder die Menschen Afrikas (20 Autos) ebenfalls eine derart hohe Pkw-Dichte haben wollen, wird es kaum ausreichend Rohstoffe dafür geben.