Wien Energie: Die SPÖ sucht Schuld bei Türkis-Grün
Von Michael Hammerl
Der Zeitpunkt hätte kaum schlechter sein können: Montagabend muss SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner zum Sommergespräch auf ORF2 antreten. Das zentrale Thema stand schon im Vorhinein fest: Die Wiener SPÖ hatte nur langsam und behäbig auf die finanziellen Nöte der Wien Energie reagiert, die nun eine Milliardenspritze in Höhe von sechs Milliarden Euro vom Bund benötigt, um handlungsfähig zu bleiben.
Wie konnte es so weit kommen? Insider vermuten, dass Wien Energie einen Teil ihrer Erzeugung über Termingeschäfte langfristig verkauft hat.
Bei Verkaufsgeschäften handelt es sich um eine offene Risikoposition: Der Käufer hat die Zusicherung von Wien Energie, dass er zu einem bestimmten Zeitpunkt Energie zu einem festgelegten Preis erhält. Solche Termingeschäfte werden üblicherweise nur abgeschlossen, wenn sich der Verkäufer sicher ist, wo er den Strom herbekommt und davon ausgeht, dass er ihn günstiger bezieht als verkauft. Dennoch: Der Verkäufer muss im Vorhinein eine Sicherheitskaution bei der Börse hinterlegen. Und zwar für den Notfall, dass er zum Zeitpunkt des Geschäfts nicht liefern kann. Dann könnte die Börse die hinterlegte Kaution heranziehen, um den Kunden zu bedienen.
Das Problem: Steigen die Marktpreise – was derzeit der Fall ist –, muss die Börse reagieren. Sie erhöht die Kaution im Ausmaß der gestiegenen Gaspreise. Denn sollte der Verkäufer den Käufer nicht bedienen können, muss die Börse zu den aktuellen Marktpreisen einspringen. Nun ist unklar, wann Wien Energie welchen Vertrag abgeschlossen hat. Dieser Teufelskreis könnte sich jedenfalls auch in den kommenden Monaten noch weiterdrehen.
Verkalkuliert?
Ist es denkbar, dass Wien Energie erst am Wochenende von der Notlage erfahren hat? „Das ist undenkbar. Ein ordentliches Risikomanagement hätte die Situation auf der Arbeitsebene zumindest vor ein paar Wochen bemerken müssen“, widersprechen Insider. Entweder das Risikomanagement von Wien Energie habe die Situation nicht durchschaut – was kaum vorstellbar sei – oder eben nicht ernst genug genommen. Genauso hätte die Wiener Stadtregierung darüber informiert sein müssen, da der Aufsichtsrat von Unternehmen der Stadt Wien besetzt ist.
Wie wird also Rendi-Wagner ihren Parteigenossen, Bürgermeister Michael Ludwig, in der Causa verteidigen? Einen Vorgeschmack lieferte der stellvertretende Klubobmann Jörg Leichtfried via Aussendung. Er holte zum Gegenschlag gegen Türkis-Grün aus. Seit Monaten fordere die SPÖ die Regierung dazu auf, auf EU-Ebene in die Preisbildung einzugreifen. Wegen der „explodierenden Wahnsinnspreise“ würden noch mehr Energieversorger Probleme bekommen, prophezeite Leichtfried.