Politik/Inland

"Was Politiker lernen können? Mehr auf Punkt sprechen."

Worauf es bei der Schonung der Stimme mit zu achten gilt weiß Andrea Radakovits. Die langjährige Ö3-Verkehrslady und ORF-Programmansagerin ist heute Sprechtrainerin und Moderatorin.

KURIER: Wie kann man die Stimme schonen und gleichzeitig öffentliche Auftritte absolvieren?

Andrea Radakovits: Es geht beim schonenden Umgang mit der Stimme in erster Linie um die richtige Atmung und damit um das harmonische Zusammenspiel aus Atemkraft und Stimmkraft. Wer unzureichend atmet, holt sich die Kraft für seine Atmung aus dem Brustkorb und damit die Kraft für die Stimme aus dem Kehlkopf und wer das auf Dauer tut, überlastet die Stimme auch auf Dauer. Vor allem natürlich in Situationen, wo besonders laut, dynamisch und kraftvoll gesprochen werden muss. Das heißt, man kann sagen, der Atem ist der „Motor des Sprechens“ oder allgemein der Motor für die Stimme. Wir kennen das von Babys und Kleinkindern, die noch die richtige Atmung haben. Die können stundenlang schreien, ohne jemals heiser zu werden. Nur leider verlieren ca. 75 Prozent von uns diese richtige Atmung im Lauf des Erwachsenwerdens, was vor allem zivilisatorische Gründe hat.

Welche Stimmlage kommt am besten an? Lässt sich eine solche oder schonende Stimmlage trainieren?

In unseren zivilisatorischen Breiten herrscht oft die Meinung vor, nur tief ist seriös. Ich bin aber der Ansicht, nur authentisch ist seriös. Und manche Stimmen sind halt von Natur aus nicht so tief angesiedelt. Es ist nur tatsächlich so, dass manche Menschen ihre natürliche Stimmlage verlassen und sie – sagen wir halbbewusst – dauerhaft etwas zu weit runterdrücken, um eben seriöser zu wirken oder auch umgekehrt, etwas zu weit nach oben kippen lassen, um sie vielleicht jugendlicher klingen zu lassen. Das sind oft nur Nuancen, um die es da geht, aber letztendlich bedeutet auch das eine dauerhafte Überlastung der Stimme. Es gibt Übungen aus der Gesangstechnik, mit denen man feststellen kann: Befinde ich mich in meinem täglichen Sprechen in meiner so genannten "Indifferenzlage" oder gehört sie ein wenig "reguliert“. Das ist im weitesten Sinne wie ein Haltungstraining für die Stimme. Die Stimmen, die am Besten ankommen, sind mit Sicherheit die authentischen.

Fällt Ihnen ad hoc ein Politiker ein, der seine Stimme im Laufe der Karriere verändert hat?

Mir ist zum einen aufgefallen, dass Christian Kern damals anfangs nahezu perfekt gesprochen hat und sich dann mit der Zeit angewöhnt hat, nach jedem dritten, vierten Wort den Buchstaben ä dranzuhängen, also der Satz „und da haben wir enormen Handlungsbedarf“ hat dann zum Teil so geklungen_ "undä da haben wirä enormenä Handlungsbedarf“. Also, das war jetzt nicht der klassische Einsatz des Fülllauts "ähm“, sondern wirklich immer ein seltsames kleines Tönchen an unzähligen Wörtern hinten dran.

 

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Bei Werner Faymann hatte ich den Eindruck, dass er diesen leicht gequetschten, nasalen Einschlag beim Sprechen mit der Zeit immer mehr wegbekommen hat. Er hat gegen Ende seiner politischen Laufbahn eine wesentlich angenehmere Stimme gehabt als in den ersten Jahren. Wer über die Zeit ein Stück weit an Emotion in der Stimme dazugewonnen hat, war Reinhold Mitterlehner. Er war für mich so ein schöner Beweis für meine Überzeugung, dass allein schon ein bisschen mehr Mimik sich unglaublich positiv auf den Stimmklang auswirken kann.Was jedenfalls viele Politiker noch lernen könnten, wäre mehr auf Punkt und damit allein schon von der Sprechmelodie her aussagekräftiger zu sprechen. So viele ziehen am Ende jedes ihrer Sätze die Stimme hoch, was jede inhaltlich noch so fundierte Aussage vom Klang her dennoch hinterfragend klingen lässt.

Hat sich bezüglich  Dialekt beziehungsweise Hochlautung im Laufe der Zeit etwas geändert?

Massiv verändert hat sich die Art und Weise zu sprechen zum Beispiel im Radio. Heute wird dem umgangssprachlich sprechenden Publikum viel mehr „nach dem Maul“ geredet. Nur die Nachrichten sind hier noch weitestgehend ausgenommen. Aber, würde man heute eine Verkehrsmeldung hören, wie ich sie in meinen Anfängen, zu Beginn der 1990er-Jahre, fast schon rezitieren musste, würde das völlig unpassend klingen. Was sich in diesem Zusammenhang gerade auch stark ändert ist der Gebrauch des Wortes „ist“, das im gesamten deutschen Sprachraum, in allen nur erdenklichen Alters-, Bildungs- und Sozialschichten nur noch ohne "t“ gesprochen wird. Auch in der Hochsprache "is‘ es kalt“, "i s‘ es spät“, "is‘ etwas schön“ etc.. Und das nicht nur bei uns, auch in Deutschland! Hier scheinen wir gerade einen Sprachwandel zu erleben, ich vermute, dass dieses Wort irgendwann innerhalb der nächsten zwanzig Jahre allgemein so geschrieben und gesprochen werden wird – genaugenommen eine Vereinfachung in Richtung Anglizismus, aber auch irgendwie ein bisschen traurig. Auch hier bilden aber zum Beispiels Nachrichtensendungen und deren Moderationen und Beiträge, sowie Dokumentationen oder Burgtheaterstücke noch die Ausnahme.