Was an Identitären gefährlich ist
Von Christian Böhmer
Sie sagen, dass sie mit Nazis und deren Ideologie rein gar nichts zu tun haben wollen. Sie nennen sich Patrioten und beteuern, Gewalt sei ihre Sache nicht.
Wie kommt es dann, dass die „Identitären“ vom Verfassungsschutz dennoch seit Jahren als „wesentliche Träger des Rechtsextremismus“ qualifiziert werden? Was ist so gefährlich an ihren Ansichten und ihrer Rhetorik?
Das von Identitären und anderen Rechtsextremen propagierte „Volk“ gibt’s nicht
„Das Problem mit der so genannten deutschen Volksgemeinschaft ist, dass sie in der Realität nie existiert hat“, sagt Soziologe Jörg Flecker (Uni Wien). Die Gesellschaft sei kein eigener Organismus, der nur eine Identität habe, im Gegenteil: Europas Gesellschaften seien immer vielfältig und heterogen gewesen. Was ist nun problematisch daran, wenn man glaubt, es gäbe ein „unvermischtes Volk“? „Die Gefahr besteht darin, dass man aus der Fiktion heraus konkrete Taten setzt“, sagt Flecker. Wer glaubt, die „Vermischung“ der Gesellschaft könne rückgängig gemacht werden, der müsse anderen bei der „Entmischung“ Gewalt antun.
In der Sprache der Identitären finden sich neue Begriffe für alte Rassismen
Wenn Identitäre vor dem „großen Austausch“ warnen, klingt das nicht annähernd so bedrohlich wie eindeutig rechtsextrem besetzte Begriffe wie „Umvolkung“ oder „Volkstod“. Genau das ist die Absicht. „Die Identitären haben rechtsextremes Gedankengut in eine attraktive, neue Sprache gepackt“, sagt Politikwissenschafterin Judith Goetz.
Auch der Begriff des „Ethnopluralismus“ verschleiere, worum es dabei geht. „Der Begriff unterstellt, dass Staaten ,ethnisch rein’ bleiben sollen, er propagiert eine globale Apartheid, in der individuelle Freiheit nicht existiert“, sagt Goetz. Inwiefern tut er das? „Wenn man davon ausgeht, dass bestimmte Völker in bestimmten Ländern leben müssen, dann heißt das zum Beispiel, ich darf als Franzose nicht in Südamerika leben – und umgekehrt.“
Die Identitären verzichten auf direkte Bezüge zum NS-System, teilen aber dessen rassistische Ansichten
Während andere, neo-nazistische Gruppen prominente Nationalsozialisten verherrlichen, geben sich die Identitären zurückhaltend. „Sie verzichten auf direkte Bezüge zum NS-System, weil das für sie die ,alte Rechte’ darstellt und potenzielle Unterstützer abschreckt“, sagt Goetz. Das ändere aber wenig an der Grundtendenz.
Bereits in einer frühen Phase hätten die Identitären Fan-Sticker verteilt, auf denen Publizisten zu sehen waren, die den Nazis nahe standen. „Die Sticker der Identitären zeigen Martin Heidegger und Ernst Jünger – und damit Wegbereiter des Nationalsozialismus.“
Die Sprache der Identitären ist gewalt-besetzt
Schon das erste Internet-Video in der Geschichte der Identitären („Génération Identitaire“) zeigt, dass es mit der rhetorischen Friedfertigkeit nicht weit her ist: Das Video heißt „Kriegserklärung“ – und genau das ist es auch. So heißt es darin wörtlich: „Glaubt nicht, dies ist nur ein Manifest. Es ist eine Kriegserklärung.“ Die von den Identitären propagierte Untergangsfantasie vom „großen Austausch“ ist für Extremismusforscher nicht nur aufgrund der Bezüge zur blutigen Türkenbelagerung 1683 eine klare Gewalt-Aufforderung. „Wer sagt ,Europa geht unter’ und gleichzeitig erklärt, nun sei die letzte Generation am Ruder, die das noch aufhalten kann, der ruft damit in letzter Konsequenz zur Gewalt auf“, sagt Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes.
Die Identitären sind militärisch organisiert, ihre Mitglieder auffallend bewaffnet
Die Identitären sind straff organisiert: Führungskräfte heißen Hopliten, Aktivisten Spartiaten, und neben ideologischen Schulungen sind wöchentliche Sport-Übungen zur Selbstverteidigung Pflicht.
Schon vor Jahren hat der Chef der Identitären Martin Sellner gepostet: „Gottseidank habe ich mir eine Waffe gekauft, bevor der Asylwahn begonnen hat.“
Was das bedeutet, lässt er offen. Seine Mitstreiter haben die Botschaft offenbar verstanden. Laut einem Bericht von Salzburger Nachrichten und ZIB 2 hat der Verfassungsschutz ermittelt, dass jedes fünfte Mitglied der Identitären eine Schusswaffe besitzt.
Die angeblich friedfertige Bewegung ist damit um ein Vielfaches stärker bewaffnet als die restlichen Österreicher.