Wanzen-Affäre offenbart große Sicherheitslücken
Dass zwei Wanzen im Büro von FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache gefunden wurden, ist wohl die einzig unumstößliche Tatsache in diesem Fall. Denn: Wer sie montiert hat, ist ebenso unklar wie wann sie angebracht wurden. Und die Summe dieser ungeklärten Frage hat Potenzial, ein Politikum zu werden.
Aber zurück zum Anfang. Am Donnerstag wurde publik, dass in Straches Büro, dem Palais Dietrichstein, eine Abhöranlage entdeckt wurde. Die SPÖ ortete dahinter umgehend Taktik: Dass man just am Höhepunkt des Skandals um das Nazi-Liederbuch (siehe oben) damit an die Medien gehe, habe den "Geruch eines Ablenkungsmanövers", so SPÖ-Chef Kern zum KURIER. Die Wanzen, das stehe in einem Mail des Verfassungsschutzes, das Falter-Chef Florian Klenk veröffentlichte, seien nämlich schon am 19. Dezember gefunden worden – also, als Ex-Kanzleramtsminister Thomas Drozda die Räume an Strache übergeben hatte. Es sei also nicht auszuschließen, dass auch Drozda schon abgehört worden war.
Allein: Beim Landesamt für Verfassungsschutz (LVT), das zum Innenministerium gehört, und beim Heeres-Abwehramt heißt es: "Stimmt nicht." Zwar habe es im Dezember eine Kontrolle durch das LVT gegeben, die Wanzen habe aber erst jetzt das Abwehramt gefunden. Und das Mail, naja, da handle es sich wohl um einen Tippfehler.
Keine Standards
Was also übrig bleibt? Neben den Widersprüchen ein Politikum anderer Sorte. Denn wenn man fragt, wer die Überprüfungen angefordert hat, offenbaren sich andere Lücken in der Sicherheitsarchitektur: Regierungsbüros werden nicht standardisiert überprüft, sondern nur auf Nachfrage, bestätigen Innen- und Verteidigungsministerium. Im konkreten Fall hat Straches Büro um Amtshilfe gebeten: "Wir haben das immer für alle unsere Räumlichkeiten gemacht. Auch jetzt haben wir zweimal prüfen lassen", so Straches Sprecher zum KURIER. Vormieter Drozda hingegen hatte keine Überprüfung angefordert: Er habe sich auf das Innenministerium verlassen, sagt Kern. Er selbst habe als Kanzler stets um Kontrollen gebeten, auch bei der Übergabe an Kurz wurden die Räume abgesucht.
Diese fehlenden – und etwa in Deutschland durchaus üblichen – Standards hinterfragen SPÖ und Neos nun mit parlamentarischen Anfragen, die SPÖ hat auch den Nationalen Sicherheitsrat einberufen. Für Irritationen bei der Opposition sorgt auch, wie mit den Ergebnissen der Untersuchungen umgegangen wird: Die werden nämlich nur an den Auftraggeber – im konkreten Fall Strache – weitergegeben, eine Anzeige bringt das Abwehramt von sich aus nicht ein. "Das ist nicht unser Kompetenzbereich", so ein Heeressprecher, das obliege allein dem Auftraggeber.
Wie das alles sein kann? "Naja, weil wir in Österreich sind", sagt ein Kenner dazu.