Vranitzky sieht Moskaus Neutralitäts-Vorschlag für Ukraine skeptisch
Der frühere Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) sieht den russischen Vorschlag einer Neutralität für die Ukraine unter Verweis auf historische Erfahrungen Österreichs skeptisch. Ihn überrasche die Zurückhaltung Kiews nicht, sagte Vranitzky den Oberösterreichischen Nachrichten. "Die Russen haben schon bei Österreichs Neutralität angeboten, sie zu garantieren. Das hätte eine starke Abhängigkeit von ihnen bedeutet und wurde zu Recht zurückgewiesen."
Man müsse "sehr, sehr genau überprüfen", was politisch und militärisch hinter dem Vorschlag Moskaus steckt, so Vranitzky. "Eine Augenblickslösung darf man nicht erwarten." Moskau hatte am Mittwoch einen neutralen Status der Ukraine nach dem Vorbild Österreichs oder Schwedens als "Kompromiss" ins Spiel gebracht. Die ukrainische Regierung reagierte ablehnend und pochte auf handfeste Sicherheitsgarantien durch andere Staaten außer durch den Aggressor Russland.
Kritik an "NATO-Weg"
Vranitzky kritisierte in dem Interview auch Fehler des Westens gegenüber Russland. Man habe das "Window of Opportunity" nicht genützt, das es in den 1990er-Jahren gegeben habe. "Stattdessen ist man den eingefahrenen NATO-Weg gegangen", sagte der Ex-Kanzler. Der Wladimir Putin des Jahres 1999 sei "ein anderer" gewesen, so Vranitzky, der betonte, "kein Putin-Versteher" zu sein.
Der langjährige Regierungschef (1986-1997) sprach sich für den Aufbau einer eigenständigen europäischen Verteidigungspolitik und eine Verringerung der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Russland aus. "Bei uns hatten viele im Energie-, Bau- oder Bankenbereich die Russland-Karte gezogen. (...) Wir werden jetzt einen längeren Weg gehen müssen."
Für Stärkung des Bundesheers
Im Verteidigungsbereich sprach sich der SPÖ-Politiker dafür aus, dass das Bundesheer "eine Stärke entwickeln (soll), mit der es ernst genommen wird". "Es kann dann im Rahmen der Beistandsregeln glaubhaft zur Verfügung stehen - unter Wahrung der Neutralität, etwa mit Blauhelmen", formulierte Vranitzky, der den unter SPÖ-Kanzler Werner Faymann im Jahr 2013 verkündeten Abzug der österreichischen UNO-Soldaten von den Golanhöhen als "unverständlich" kritisierte.