Politik/Inland

Vizekanzler bis Herbst: Brandstetter im Porträt

Die Auflösung der rot-schwarzen Koalition dürfte nun einen Mann nach oben bringen, mit dessen weiterem Aufstieg niemand gerechnet hätte: Wolfgang Brandstetter, parteifreier schwarzer Justizminister seit Ende 2013, soll Vizekanzler werden und damit verhindern, dass sich der designierte ÖVP-Obmann Sebastian Kurz bis zur Wahl im Herbst als Juniorpartner der SPÖ verbraucht.

Er wolle "mehr Ruhe in die Justiz bringen", kündigte der von seinem Freund und früheren Arbeitskollegen Michael Spindelegger (damals ÖVP-Chef und Vizekanzler) in die Politik geholte Brandstetter an. Zunächst musste er das in eigener Sache tun, hatte der er doch den Geruch von Befangenheit aus seiner anwaltlichen Tätigkeit zu vertreiben. Endergebnis war die gesetzliche Verankerung eines Weisungsrats, der dem Justizminister beigestellt wurde. Die Abschaffung dieses Rechts des Ministers, für die er sich davor eingesetzt hatte, schaffte er nicht.

"Nur dafür würde ich mich engagieren"

Immer wieder kündigte Brandstetter an, nur so lange in der Politik bleiben zu wollen, wie er - unterstützt von beiden Regierungsfraktionen - etwas bewegen könne. Ähnlich tönte er auch jetzt, als der Streit zwischen Kurz und Kanzler Christian Kern (SPÖ) eskalierte. Er würde die Rolle des Vizekanzlers nur übernehmen, um im Prinzip schon vereinbarte Projekte umzusetzen, betonte er am Dienstag: "Nur dafür würde ich mich engagieren", persönliche Ambitionen habe er keine.

Der immer wieder von Wehwehchen geplagte Minister kann auf eine beachtliche Bilanz seiner Tätigkeit im Justizressort zurückblicken. So legte er ein Strafprozesspaket vor, das Ermittlungen ein Zeitlimit setzte und den zweiten Berufsrichter in großen Schöffenverfahren zurückbrachte. Er schaffte nach dem Auffliegen von Missständen eine Reform im Strafvollzug (Auflösung der Vollzugsdirektion, aber noch keine Reform des Maßnahmenvollzugs) und eine Strafrechtsreform, die einen geringeren Strafrahmen bei minderschweren Vermögensdelikten bewirkte und jegliche "intensive und entwürdigende sexuelle Belästigung" strafbar machte. Auch die Reform des Erbrechts und eine Nachfolgeregelung für die Sachwalterschaft ("Erwachsenenschutz") kann er sich auf die Fahnen heften.

Kritik

Doch auch Kritik an Brandstetter wurde laut. 2016 erhielt er den Big Brother Award in der Kategorie "Politik" für seine Bemühungen zum Ausbau von Überwachungsmaßnahmen. Immer wieder musste er sich mit Kritik vonseiten des eigenen Koalitionspartners in Person von SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim herumschlagen. Mit der Parteifreiheit nahm er es nicht immer ganz so ernst, reihte er sich doch gerne in die Riege der ÖVP-Minister ein, wenn es um Gesetzesverschärfungen ging.

Zur Person: Geboren wurde Brandstetter am 7. Oktober 1957 in Stadt Haag, die Schule besuchte er in Horn. Er ist eingefleischter Waldviertler und trägt auch die gleichnamigen Schuhe. Seine berufliche Laufbahn startete er an der Uni Wien, wo er sich 1991 in Straf- und Strafprozessrecht habilitierte. 1998 wurde er Strafrechts-Ordinarius, 2007 wechselte er an die Wiener Wirtschaftsuniversität. Bis zum Antritt des Ministeramts praktizierte er auch als Strafverteidiger, unter anderem für den ehemaligen kasachischen Botschafter Rachat Alijew und für Ex-Kanzler Werner Faymann (SPÖ) in der Inseratenaffäre. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern.