Van der Bellen: Bürgerräte als "Starthilfe" für die Politik
Von Bernhard Gaul
Zum Auftakt des ersten Klimarats der Bürgerinnen und Bürger richteten Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Bundespräsident Alexander Van der Bellen Begrüßungsworte an die anwesenden Ratsmitglieder.
„Ich bin sehr gespannt, wie das ausgeht. Das ist ein Experiment für Österreich“, zeigte sich Bundespräsident Van der Bellen in seiner Rede erwartungsfroh. Der Klimarat, so hob er hervor, würde sich einem zentralen Thema der nächsten Jahrzehnte widmen. Zwar sei man aktuell mit „Corona und seinen Mutanten“ beschäftigt: „Aber deswegen schläft die Klimakrise nicht und wir dürfen das auch nicht tun.“
Er selbst werde die ärgsten Auswirkungen wohl nicht mehr erleben, konstatierte der Bundespräsident. Wenn man über Maßnahmen nachdenke, tue man dies für „unsere Kinder, Enkel und Urenkel“. Er stellte fest, dass der Klimarat einen Querschnitt der Bevölkerung repräsentiere. „Sie sind sowas wie ein kleines Österreich.“
Die Resultate des Gremiums zu „schubladisieren“, werde nicht möglich sein, versicherte er. Denn es handle sich nicht um „irgendeine kleine Diskussionsgruppe“. „Nützen sie die Chance, ist meine Bitte. Sie nehmen an etwas neuem Teil, machen sie etwas daraus.“
KURIER: Warum unterstützen Sie das Vorhaben?
Alexander Van der Bellen: Wir alle sehen und spüren die Klimakrise, auch in Österreich. Klar ist, dass wir rasch handeln müssen, um die Klimaziele zu erreichen, also in Österreich bis 2040 klimaneutral zu werden. Die Wege dorthin sind immer wieder auch umstritten und die Politik agiert oft zu zögerlich. Wenn sich jetzt 100 Bürgerinnen und Bürger, repräsentativ für die Bevölkerung, über mehrere Monate immer wieder treffen, um Ideen zu diskutieren und Vorschläge zu entwickeln, dann kann Konkretes dabei herauskommen. Wenn die Politik diese Vorschläge dann auch ernst nimmt, bin ich zuversichtlich, dass wir einen großen Schritt weiterkommen können.
Halten Sie solche los-basierten Bürgerbeteiligungen für ein taugliches Mittel gegen Demokratieverdrossenheit?
Ich finde schon, zumindest zeigen das viele Beispiele. Bürgerräte wurden in den vergangenen Jahren in vielen Staaten und Regionen in Europa erfolgreich erprobt und sind übrigens auch in Österreich nicht neu. In Vorarlberg sind Bürgerräte seit vielen Jahren selbstverständlicher Teil der Politik.
Aber ist für Klimaschutzmaßnahmen nicht das Parlament zuständig?
Natürlich entscheidet am Ende die verantwortliche Politik. Bürgerräte können und sollen die parlamentarische Demokratie nicht ersetzen. Aber sie können einen wichtigen Beitrag leisten. Die Empfehlungen des Klimarates können eine Art Starthilfe für die Politik sein, rascher und mutiger ins notwendige Handeln zu kommen. Ich habe den Eindruck, dass Bürgerinnen und Bürger oft offener und engagierter sind, als ihnen die Politik das im Allgemeinen zutraut.
In Frankreich gibt es Debatten, ob einige der Empfehlungen einem Referendum unterzogen werden sollten – auch bei uns denkbar?
Für Referenden, seien es Volksabstimmungen oder Volksbegehren, gibt es in Österreich klare Voraussetzungen und Regelungen. Der Klimarat war übrigens eine Forderung des Klimavolksbegehrens. Ich finde es gut, dass Parlament und Regierung das aufgegriffen haben.
Sollten Bürgerräte auch noch andere Themen bearbeiten?
Warum nicht? Dass dies erfolgreich sein kann, haben Bürgerräte in anderen Ländern bereits gezeigt. Letztlich wird es aber immer darauf ankommen, wie offen die Politik sich gegenüber Vorschlägen der Bürgerinnen und Bürger zeigt.