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Mitterlehner zu Gesetzeskauf: "So blöd ist in ganz Europa niemand"

"Verwundert" darüber, dass er im Ibiza-U-Ausschuss aussagen soll, war am Dienstag Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner. Das Thema des U-Ausschusses sei ja die "Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung". Dazu habe er keine Wahrnehmungen.

Nach seinem Rücktritt im Mai 2017 habe er - der letzte Chef der "alten, schwarzen ÖVP", die Parteizentrale nicht mehr betreten.

Mitterlehner gab dafür Einblicke in den Machtwechsel in der ÖVP und die Suche von Unterstützern im Wahlkampf für seinen Nachfolger Sebastian Kurz. So "blöd", dass jemand nachweislich Gesetze "kaufe" sei man aber weder in Europa, noch in Bananenstaaten, sagte er.

"Biotop" rund um Politiker

So sei Kurz schon früh der Hoffnungsträger in der ÖVP gewesen, schilderte Mitterlehner und: "Ich habe erwartet, irgendwann wird er den Parteivorsitz übernehmen". Schon 2016, noch vor dem Obmann-Wechsel, sei die Frage der Finanzierung auf die Partei zugekommen.

In österreichweiten "Roadshows" habe man Spender aufzutreiben versucht, aber: "Glauben Sie wirklich, dass jemand sagt, ich kaufe etwas?"

Im Wesentlichen gehe es nicht darum, dass jemand etwas kauft, versuchte Mitterlehner zu erklären. Vielmehr habe man an einem "Biotop der Qualifizierten" gearbeitet. Wirtschaftstreibenden sei es wichtig gewesen, bei einem Politiker "ein offenes Ohr" zu haben, einen Zugang zu bekommen, mit ihm reden zu können.

Als Politiker wisse man schon, was von Spendern gewünscht wird, ohne dass sie das ausdrücklich äußern müssen. "Da brauchen sie nur eins und eins zusammenzählen", sagte der Ex-ÖVP-Chef.

Gemeinsamer Nenner aller Wirtschaftstreibenden sei die Ablehnung von Vermögenssteuern gewesen. Österreich sei eines der wenigen Länder, in denen es solche Steuern nicht gibt.

Er wolle das Spendertum aber auch "nicht generell kritisieren", so Mitterlehner: "Es spenden nicht nur Leute, die sich einen persönlichen Vorteil sichern wollen, sondern für ein politisches Programm spenden wollen."

Mitterlehner hat auch keinen Laptop

Im August 2016 habe Kurz mit "Spenden-Rallys" begonnen, auf die Mitterlehner auch in seinem Buch Bezug nimmt. Wobei: "Spenden-Rallye hat man das nicht genannt, da wären weniger Leute gekommen", sagte Mitterlehner. "Man nannte sie Unternehmergespräche."

Veranstaltet wurden solche Zusammenkünfte von unterschiedlichen Gastgebern oder Unternehmen, darunter auch eine Bank. Er wolle diese Personen aber nicht an die Medienöffentlichkeit ziehen, zumal er sich auch nicht genau erinnern könne, so Mitterlehner: "Und Laptop habe ich auch keinen, ich bin schon über 60." Wohl eine Spitze gegen Finanzminister Gernot Blümel, der auch schon im U-Ausschuss erklärt hatte, er besitze keinen Laptop.

Unter seiner, Mitterlehners, Obmannschaftschaft sei dann aber bis Juli kein Cent offiziell bei der Partei eingegangen. "Es hat mich auch nicht mehr interessiert." Es sei da schon lange nicht mehr um ihn gegangen, sondern um den künftigen Kanzler, Kurz.

Dass offiziell in dieser Zeit kein Geld floss, lasse aus seiner Sicht "drei Alternativen" zu. Eine davon sei, dass die Spender angesprochen wurden, aber nicht bezahlt haben. Eine zweite, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt bezahlt haben. Die dritte Möglichkeit sei, dass die Spenden auf eine Plattform außerhalb des Parteigefüges gegangen sind. "Das müssen aber Sie herausfinden", sagte er in die Runde im U-Ausschuss.

Mandatskauf?

Was mögliche Gegenleistungen betrifft, stellte den Verdacht eines Mandatskaufs in den Raum: Wenn bestimmte Seilbahnbetreiber spenden würden und anschließend ein bestimmter Vertreter der Seilbahnbetreiber als Abgeordneter im Nationalrat sitzt, so Mitterlehner, "dann kann man sich dazu ja seine Gedanken machen". Auf Nachfrage meinte er später, das könne auch nur ein "Zufall" sein, beweisen wird man nichts können.

Er könnte damit Franz Hörl, Seilbahnen-Vertreter und Chef des Tiroler Wirtschaftsbund, meinen. Hörl war zwischen 2006 und 2013 für die ÖVP im Nationalrat, dann wieder ab 2018. 

"Projekt Ballhausplatz"

Passend zu Mitterlehners Schilderungen war nach ihm die Kurz-Beraterin Antonella Mei-Pochtler als Auskunftsperson geladen. Sie soll in das türkise "Projekt Ballhausplatz" involviert gewesen zu sein, also jenem inoffiziellen Wahlkampf-Programm, das eben Unterstützer für die Partei gewinnen sollte.

Dieses Projekt will Mei-Pochtler aber nur aus den Medien gekannt haben, gab die Leiterin der Strategiestabstelle im Bundeskanzleramt mit dem Titel "Think Austria" an.

Die Stabstelle hat Kurz bereits damals im Wahlkampf beraten. Anfang 2017 habe sie auf Kurz' Bitte hin Expertengespräche mit der Politischen Akademie der ÖVP organisiert, die Themen Standort-Strategien und Wettbewerbsfähigkeit zum Inhalt hatten, schilderte Mei-Pochtler.

Bei den Koalitionsverhandlungen nach der Nationalratswahl 2017 war sie dann als Expertin für Standortthemen eingebunden. Dabei sei es "vor allem" um Themen zur Wettbewerbsfähigkeit allgemeiner Natur wie etwa Senkung der Abgabenlast oder Entbürokratisierung gegangen.

Anliegen spezifischer Unternehmen seien dabei kein Thema gewesen. "Es gab zu keinem Zeitpunkt derartige Gespräche". Auch zu Postenbesetzungen habe sie "ex post", "meistens aus den Medien" erfahren. Sie sei "zu keinem Zeitpunkt involviert" gewesen.

"Weiß nicht, wer die Spender der ÖVP sind"

Dass Gelder von Behörden oder öffentlichen Betrieben an die von ihr 2018 gegründete Antonella Mei-Pochtler Advisory GmbH geflossen sind, schloss die Kurz-Beraterin aus. Ebenso, dass "ÖVP-Großspender" die Beratungsagentur beauftragt haben könnten. "Ich weiß auch nicht, wer die Spender der ÖVP sind", betonte sie abermals. Ebenso neu war für Mei-Pochtler laut eigener Aussage, dass Wirecard-Gründer Markus Braun an die Partei gespendet hatte.

Zu ihrem Arbeitsverhältnis mit Kurz verwies Mei-Pochtler auf einen "unentgeltlichen" Beratervertrag, den sie bis zum Ende der ersten Kanzlerschaft mit dem Kanzleramt gehabt habe. Auch die Treffen etwa in der politischen Akademie der ÖVP habe sie ehrenamtlich organisiert. Bis zu rund 60 Prozent ihrer Zeit habe sie für ihr Engagement investiert.

Sie sei "einigermaßen erstaunt", dass sie vor den Ibiza-U-Ausschuss geladen wurde, "da ich mit den Ereignissen in Ibiza nichts zu tun habe", hatte Mei-Pochtler in ihrem Eingangsstatement gesagt.

Mit einem Schwenk in die Welt des Glücksspiels endet dann der Befragungstag am Montag. Bernhard Perner, ein ehemaliger Kabinettsmitarbeiter im Finanzministerium, ist im Management der Staatsholding ÖBAG tätig und dürfte Wahrnehmungen zur Bestellung des politisch umstrittenen FPÖ-nahen Finanzvorstands der Casinos Austria, Peter Sidlo, haben. Von ihm soll etwa die von Ermittlern sichergestellte SMS an ÖBAG-Chef Thomas Schmid, dass Sidlo "clean" sei, kommen.

Wie es morgen weitergeht

Wie mit Mitterlehner am Vortag bietet auch der Mittwoch Parteiprominenz, diesmal in blau: Auf Wunsch der ÖVP ist FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl geladen. Das Interesse gilt vor allem der Frage, ob er zu seiner Zeit als Generalsekretär von möglicher illegaler Parteifinanzierung gewusst hat, wie es sein damaliger Parteichef Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video behauptet.

Vor Kickl ist noch der ehemalige Landeshauptmann im Burgenland, Hans Niessl, Auskunftsperson.

Als letzter am Mittwoch am Wort ist David Riebel von der SPÖ-"Fraktion ohne Namen", der vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos auf Neuwahlen gewettet hat.