Kickl im U-Ausschuss: Marsalek hatte kein "Russischer Spion"-Schild umgehängt
Man kann nicht sagen, sie waren unvorbereitet. Andreas Hanger zum Beispiel: Der Fraktionschef der ÖVP im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, hatte allerhand ausgegraben und vorbereitet, um die Freiheitlichen und deren Chef Herbert Kickl an diesem Ausschuss-Tag vorzuführen.
Soweit der Plan. Die Praxis sah dann etwas anders aus.
Denn wenn man etwas über Herbert Kickl weiß, dann dass er rhetorisch geschult ist. Und das gilt ein Stück weit auch für seinen früheren Kommunikationschef im Ministerium Alexander Höferl.
Sobotka im Fokus
Der Freiheitliche soll an diesem Donnerstag über mögliche Malversationen und Inseraten-Vergaben unter seinem Ex-Chef Kickl erzählen.
Er tat das auch - nutzte aber im Frage-Antwort-Spiel mit seinem Du-Freund und FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker die Gelegenheit, um vor allem den früheren ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka in ein seltsames Licht zu rücken.
Die Geschichte, die Höferl unter Wahrheitspflicht wiederholt, geht so: Drei Tage bevor Kickl Innenminister wurde, schloss das noch von Sobotka geführte Ministerium noch einen mit 800.000 Euro dotierten und auf drei Jahre angelegten „Rahmenvertrag“ mit einer ÖVP-nahen Wiener Agentur ab.
"Bei mir ist der Eindruck besonderer Dreistigkeit entstanden", sagt Höferl. Am Ende hätten er bzw. der Minister den "sinnlosen Rahmenvertrag" storniert - und den Steuerzahlern viel Geld erspart.
"Sachlich!"
Auftritt Herbert Kickl: Vor seiner Aussage im U-Ausschuss macht Kickl klar, wie er's anlegen will. "Sachlich! Ich will Licht ins Dunkel bringen - und zwar ins dunkelschwarze ÖVP-Innenministerium."
Was freilich nicht bedeutet, dass Kickl gleich vorweg polemisch werden will. "Ich leiste keinen Beitrag, das wichtige Instrument des U-Ausschusses für unsachliche Anwürfe oder Sudereien zu missbrauchen. Das ist kein Kasperltheater!"
So lautet das Versprechen des Freiheitlichen vorweg. Hält er sich daran, der FPÖ-Chef?
"98 Prozent ÖVP"
Zumindest in der erste Stunde seiner Befragung läuft alles nach Plan. Kickl macht ruhig und besonnen deutlich, dass er sich den aktuellen Spionage-Skandal rund um Egisto Ott und Jan Marsalek nicht umhängen lässt.
Der heutige FPÖ-Chef war von 2017 bis 2019 Innenminister. Da waren bereits erste Vorwürfe der russischen Spionage gegen Ott laut geworden. Von einem "Problemfall Ott" will Kickl aber nichts gewusst haben. "Wenn jemand etwas im engsten Kreis behalten will, dann erfährt man davon auch nichts", sagt Kickl. Als Minister könne man auch nicht den ganzen Tag durchs Haus laufen und fragen, ob etwas vorgefallen sei.
Jedenfalls kenne er weder Marsalek noch Ott, und er habe auch nie vorgehabt, Ott in eine zentrale Stelle zu hieven. Das habe die ÖVP getan. Überhaupt sei "da, wo Russland und Marsalek draufsteht, zu 98 Prozent ÖVP drin", so Kickl.
Aufregung um Jenewein
Einer, der eng mit Ott in Kontakt gestanden sein dürfte, war aber FPÖ-Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein. Nach ihm gefragt, wird Kickl erstmals unrund, will auf Fragen zu seiner Beziehung zu Jenewein nicht antworten.
Nur so viel: "Jenewein steht in keiner Verbindung zum BMI (Innenministerium, Anm.) und zu mir als Organ des BMI", sagte der Ex-Innenminister. Es sei auch falsch, wenn immer wieder behauptet werde, dass Jenewein seine "rechte Hand" gewesen sei. Die BVT-Reform, zu der sich Jenewein mit Ott ausgetauscht haben dürften, sei eine BMI-interne Angelegenheit gewesen.
Strache-Buch "nicht gelesen"
Und noch einmal ist Kickl so, wie man Kickl kennt: beim Stichwort Strache.
Dieser hat in seinem Buch "Das Ibiza Attentat" geschrieben, dass Johann Gudenus, früherer FPÖ-Klubchef, mit Marsalek in Kontakt gestanden sei und dass Marsalek ihn auch ins Innenministerium begleitet habe.
Kickl erklärt, er habe das Buch seines Vorgängers und langjährigen Parteifreund nicht gelesen. Und überhaupt müsse man "ein wenig aufpassen, wenn der Herr Strache etwas behauptet". Damals ging es um das so genannte "Projekt Pyramide", erklärt Kickl. Marsalek, damals Wirecard-Chef, hatte die Idee, Flüchtlinge in Ägypten abzufangen, bevor sie europäischen Boden betreten.
Er bleibt aber dabei: Er habe Marsalek nie getroffen. Er habe auch keine "russischen Spione" ins BMI gelassen. Allerdings habe Marsalek aber auch nie ein Schild getragen: "Russischer Spion".
Nachdem sich die Debatte beginnt, im Kreis zu drehen und Kickl zunehmend entnervt reagiert, hält Shetty, Neos, fest: Es seien also "alles reine Zufälle"; dass der FPÖ-Abgeordnete Jenewein mit Ott und der ehemalige FPÖ-Klubchef Gudenus mit Marsalek verbandelt war.
"Österreichs Video Partei"
Gegen 19 Uhr wurde Kickl dann plötzlich zum Zaungast: Ein Streit hatte sich entbrannt zwischen dem ÖVP-Abgeordneten Hanger und den FPÖ-Abgeordneten Hafenecker und Susanne Fürst.
Hanger zeigte zunächst ein Video her, das die Kontakte der FPÖ zu rechtsextremen Gruppierungen und Medien zeigen sollte. Hafenecker spöttelte über die ÖVP als "Österreichische Video Partei", Fürst zeigte sich empört über den wiederholten Vorwurf des Rechtsextremismus.
Und Verfahrensrichterin Edwards wollte wissen, was das alles überhaupt mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun habe. Hanger erklärte, dass die FPÖ als Regierungspartei immer wieder in rechtsextremen Medien inseriert habe - mit Steuergeld. Und er wollte wissen, ob Kickl den Ex-Identitären-Chef Martin Sellner kenne. Die Identitären haben, wie 2020 bekannt wurde, Spenden vom damaligen "Christchurch"-Attentäter erhalten.
"Ganz ehrlich, das ist doch eine ganz unverfängliche Frage", sagte Hanger. Kickl könne doch ruhig sagen, ob er Sellner kennt.
Verfahrensrichterin Edwards wies das zurück. Nur, wenn es darum geht, ob das Steuergeld zweckmäßig eingesetzt worden sei, habe diese Frage hier Platz. Und Hanger nimmt zur Kenntnis, "dass Herr Kickl nicht sagen will, ob er Sellner kennt".
Noch einmal vorgeladen
Die ÖVP lässt Kickl am 7. oder 8. Mai noch einmal vorladen. Es soll unter anderem erneut um Egisto Ott gehen. Dazu wolle man weitere Unterlagen für den U-Ausschuss anfordern, heißt es aus der ÖVP. Im Raum steht auch eine Beugestrafe gegen Herbert Kickl, weil er zu einem Treuhandvertrag nicht wirklich antworten wollte.