Türkise ÖVP behält Oberwasser im Sinkgang der EU-Volksparteien
Es geht bergab für die großen europäischen Parteienfamilien – das zeigt die jüngste Wählerprojektion des Europaparlaments. Knapp hundert Tage vor den EU-Wahlen Ende Mai wird den Sozialdemokraten ein Stimmenverlust von verheerenden 51 Sitzen (minus 25 Prozent) prognostiziert.
Die stärkste Fraktion im EU-Parlament, die Europäische Volkspartei (EVP) kommt mit einem Stimmenminus von 34 Sitzen (minus 26 Prozent) auch ziemlich gerupft daher. Sogar Deutschlands Konservative, die mit Manfred Weber den Spitzenkandidaten der EVP ins Rennen schicken, stellen sich auf Verluste ein.
Ganz anders dagegen die ÖVP: Sie wird laut Umfragen sogar ein Mandat dazugewinnen. Der Kanzler-Kurz-Effekt?
„Nicht nur“, meint dazu der Politologe Peter Filzmaier, „es ist vielmehr die Kombination aus Sebastian Kurz und Othmar Karas. Die beiden zusammen decken die für die EU-Wahl wichtigen zwei Flanken sehr gut ab: Karas den europapolitischen und Kurz mehr den nationalen Aspekt.“ Und nicht zuletzt gelang es Kurz, der türkisen ÖVP das Image einer neuen Bewegung zu vermitteln. Den anderen konservativen Parteien Europas hänge hingegen das Bild „alt-traditioneller Parteien“ an – und die werden abgestraft.
Der Gewinner der Wahlen aber dürfte jetzt schon feststehen: Italiens rechtspopulistische Lega. Die Partei von Innenminister Salvini wird gewaltige 21 Mandate dazugewinnen. Das wird der europaskeptischen ENF-Fraktion, der auch die FPÖ angehört, großen Auftrieb verleihen. Auch die FPÖ wird ihr Scherflein beitragen: Sie dürfte die Mandatszahl von vier auf fünf steigern.
Aufwind haben auch die beiden anderen EU-kritischen Fraktionen, wobei die deutsche AfD mit 11 zusätzlichen Mandaten hier stärkster Stimmlieferant sein wird. Würden sich alle drei EU-kritischen Fraktionen zusammentun, wären sie mit 153 Mandaten nach der EVP die zweitstärkste Kraft im EU-Parlament.
Tendenziell abwärts geht es auch für die Grünen, für die Europäischen langsam, für die Österreichischen sturzbachartig. Die bisher drei Mandate sind unerreichbar, die jüngsten Prognosen des EU-Parlaments gehen von nur noch einem Mandat aus.
Als eine Gegenkraft zur rechten Welle dürften sich hingegen europaweit die Liberalen entwickeln. Die unter ALDE firmierenden Liberalen werden um sieben auf 75 Mandate zulegen (Macrons Partei „En Marche“ ist dabei noch nicht eingerechnet).
Mit in diesem Wind segeln die NEOS. Sie könnten ihre Mandatszahl auf zwei verdoppeln – und wären damit relativ gesehen in Österreich der EU-Wahlsieger.