Politik/Inland

Zu viel Steuer garantiert zurück

Es ist vollbracht: Die Regierung hat am Dienstag die 5,2 Milliarden schwere Steuerreform offiziell beschlossen. Nun fehlt nur noch der Sanktus im Parlament, damit die Lohnsteuersenkung 2016 in Kraft treten kann. Kleine Änderungen könnten noch im Hohen Haus vorgenommen werden. Das gestand Finanzminister Hans Jörg Schelling ein: "Ich gehe davon aus, dass der eine oder andere Punkt im parlamentarischen Prozess noch zu diskutieren sein wird." Strittig ist etwa noch immer die Konto-Einsicht.

Konto-Einsicht Damit die Finanz bei "begründetem Verdacht" (Geldwäsche, Steuerhinterziehung) künftig in ein Konto hineinschauen darf, benötigen SPÖ und ÖVP die Zustimmung der Grünen (Zwei-Drittel-Mehrheit). Die Öko-Partei will die Konto-Einsicht nur mit richterlicher Genehmigung zulassen. Die Regierung meint, es reiche, wenn ein Rechtsschutzbeauftragter prüfe. Weitgehend unstrittig ist mittlerweile das Konten-Register. Darin sollen keine Kontostände oder -Umsätze enthalten sein, sondern nur Namen, Eröffnungs- bzw. Schließungsdaten aller Konten.

Automatische Arbeitnehmer-Veranlagung Pensionisten erhalten künftig eine Negativsteuer (bis zu 110 Euro/Jahr). Für jene Arbeitnehmer, deren Einkommen jährlich unter 11.000 Euro liegt, gibt es bis 400 Euro an Negativsteuer (derzeit 110 Euro). Diese Steuergutschrift wird automatisch ausbezahlt. Die Betroffenen müssen keinen Lohnsteuerausgleich machen. Wer mehr als 11.000 Euro verdient, sollte den Lohnsteuer-Ausgleich aber weiterhin machen. Die Finanz trägt zwar automatisch ein, wie viel man z. B. in einem Jahr gespendet oder an Kirchensteuer bezahlt hat. Nicht enthalten sind aber z. B. Kosten für Kinderbetreuung, Wohnraumbeschaffung, Versicherungen etc. Auch die Pauschalen für gewisse Berufsgruppen müssen Betroffene selbst eingetragen.

Registrierkassenpflicht Wenige Änderungen gibt es – zum Missfallen der Wirtschaft – bei der Registrierkassenpflicht. Ab einem jährlichen Bar-Umsatz von 15.000 Euro muss man künftig eine solche Kassa haben (ÖVP forderte 30.000 Euro). Ausgenommen sind jene, die unter die "Kalte-Hände-Regelung" fallen und weniger als 30.000 Euro Umsatz machen: Maroni- oder Eisstandler, Fiaker, Betreiber eines Standes auf einem Christkindlmarkt etc.

Wer eine Registrierkassa braucht, kann die Kosten dafür zur Gänze absetzen, der ursprünglich angedachte 2000-Euro-Deckel ist gefallen. Und die Strafen für Kassen-Manipulationen werden auch geringer als geplant ausfallen: 25.000 statt 50.000 Euro.

Grunderwerbssteuer Für Betriebsübergaben innerhalb der Familie muss man bis zu einem Immobilienwert von 900.000 Euro keine Grunderwerbssteuer zahlen (derzeit 365.000 Euro). Für alle darüber liegenden Beträge fallen gestaffelte Steuersätze an. Es gibt aber einen "Deckel": maximal 0,5 Prozent vom Gesamtwert einer Immobilie.

Für die Bemessung der Grunderwerbsteuer gilt künftig der Verkehrswert (bisher dreifacher Einheitswert). Dieser soll anhand eines Immobilienpreisspiegels ermittelt werden können, damit kein (teures) Gutachten erstellt werden muss.

Merkbar zufrieden trat Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) nach der Regierungssitzung im Bundeskanzleramt vor die Journalisten – und verkündete stolz: "Wir haben heute 17 Gesetzesvorlagen beschlossen." Die Regierung demonstriert also Arbeitseifer.

Tatsächlich ist es so, dass äußerst selten eine derartige Fülle an Gesetzen an einem Tag abgesegnet wird. Das lag unter anderem daran, dass gestern die letzte Möglichkeit war, Gesetze ins Parlament zu schicken, damit diese noch vor der Sommerpause vom Nationalrat ihren Sanktus bekommen können.

Auf der Ministerratsagenda standen neben dem großen Steuerentlastungspaket noch die Reform des Strafgesetzbuches (StGB), die Reform der Einlagensicherung sowie die Urheberrechtsnovelle.

Änderungen kündigten Kanzler und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) auch in anderen Bereichen an: Das Asylthema soll ab sofort Chefsache werden. Und in der Debatte über Sozialtransfers an EU-Bürger soll es bald eine einheitliche Regierungslinie geben. Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat ja gefordert, dass die Familienbeihilfe für in ärmeren EU-Ländern lebende Kinder (z. B. in Rumänien) valorisiert werden sollte.

Über den Sommer wollen SPÖ und ÖVP nun eine gemeinsame Position für derlei Fragen erarbeiten, da sich ab Herbst eine Arbeitsgruppe in der EU damit befassen wird.

Durch die geplante Steuerreform 2015/16 wird die Einkommensungleichheit in Österreich leicht zunehmen. Das durchschnittliche verfügbare Haushaltseinkommen wird sich laut Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo durch die Reform um 3,1 Prozent bzw. um 834 Euro erhöhen. Der Zuwachs fällt umso höher aus, je höher das vor der Reform erzielte Nettoeinkommen ist.

Dies gelte sowohl für die Erwerbs- als auch Pensionseinkommen als auch für die Haushaltseinkommen, schreibt das Wifo am Dienstag in einer aktuellen Studie.

Leichte Zunahme

Während das Nettohaushaltseinkommen im ersten und zweiten Einkommens-Dezil um 1,1 Prozent bzw. 1,9 Prozent steigt, ergeben sich im siebenten bis neunten Dezil Nettozuwächse von 3,8 Prozent bis 4,0 Prozent. Lediglich im Bereich der höchsten zehn Prozent fallen diese in Relation zum hohen durchschnittlichen Haushaltseinkommen im Basisszenario ohne Steuerreform geringer aus als in den Dezilen fünf bis neun. "Die Einkommensungleichheit nimmt daher leicht zu", folgern die Wirtschaftsforscher. Haushalte mit Kindern profitieren in einem ähnlichen Ausmaß von der Reform wie Haushalte ohne Kinder.

Der simulierte Einnahmenausfall des Staates an Lohn- und Einkommensteuer beträgt rund 4,9 Mrd. Euro. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) davon entsteht durch die Mindereinnahmen im oberen Drittel der Verteilung der Haushaltseinkommen, während etwa zwölf Prozent dem unteren Einkommensdrittel zuzuordnen sind.

Postive Auswirkungen auf Handel

In einer zweiten Studie zur Steuerreform ermittelten die Wirtschaftsforscher positive Auswirkungen auf den Handel, das Realitätenwesen, Finanzwesen, den Verkehr und - entgegen den allgemeinen Erwartungen - trotz Anhebung des Umsatzsteuersatzes und Einführung der Registrierkassenpflicht auch für den Sektor "Beherbergung und Gastronomie".

In der Sachgütererzeugung ergeben sich mit Ausnahme des Nahrungsmittelbereichs nur geringe positive Effekte, in erster Linie wegen des hohen Importanteils vieler Sachgüter. Negative Auswirkungen sind im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen und der sonstigen nicht-marktmäßigen Dienstleistungen zu erwarten.