Erbe ab 300.000 Euro sanft besteuern
Der ÖGB habe "ein anderes" Vermögenssteuer-Modell als die SPÖ. Mit diesem Satz ließ Gewerkschaftsboss Erich Foglar Sonntagabend im ORF aufhorchen. Er wollte offenkundig nicht die Kritik für das "überzogene" SPÖ-Modell von Finanzrechtler Werner Doralt einstecken.
Bislang hatte es stets geheißen, die SPÖ habe den ÖGB-Vorschlag für die Steuerreform auf Punkt und Beistrich zur Parteilinie gemacht. Was steckt nun also hinter Foglars Aussage? Warum distanziert er sich?
Klar ist: Wenn SPÖ und ÖGB unterschiedliche Positionen vertreten, schwächt das die roten Verhandler bei den Gesprächen am Mittwoch (siehe Zusatzartikel unten). Die ÖVP, die die rote "Millionärssteuer" klar ablehnt, bekommt damit ein neues Gegenargument in die Hand. Es lautet sinngemäß: Ihr SPÖler seid Euch ja nicht einmal einig, was ihr da genau wollt.
Die Differenzen
Dabei sind SPÖ und ÖGB einer Meinung bei der generellen Entlastung um sechs Milliarden – und beide wollen eine Vermögenssteuer bzw. Erbschafts- und Schenkungssteuer zur Finanzierung der Lohnsteuersenkung.
Doch die Freibeträge und die Steuersätze differieren stark – und das ist in der Praxis nicht unerheblich. Am auffälligsten wird das beim Erben/Schenken: Laut KURIER-Informationen setzt der ÖGB schon bei 300.000 Euro an – die Steuersätze sind aber wesentlich geringer.
Erbschaftssteuer
Der ÖGB will Erbschaften und Schenkungen von mehr als 300.000 Euro (bis zu einer Million) mit zwei Prozent besteuern. Danach steigt der Steuersatz auf maximal zehn Prozent an – gültig ab zehn Millionen Euro.
Die SPÖ will erst bei einem Erbe von 1 Million ansetzen – jedoch mit einem Steuersatz von 25 Prozent, ab zehn Millionen sollen es 35 Prozent sein.Die Unterschiede sind gravierend (siehe Grafik). Beim SPÖ-Vorschlag würden für große Erbschaften (bzw. Betriebsübergaben) wesentlich mehr Steuer anfallen als beim ÖGB-Modell. Der Plan der Gewerkschaft würde dafür aber bereits die gehobene Mittelschicht stärker treffen.
Vermögenssteuer
Hier startet das ÖGB-Modell bei 700.000 Euro und sieht Steuersätze zwischen 0,5 und 1,5 Prozent vor. Bei der SPÖ geht es ab einer Million Euro Nettovermögen los. Danach soll ein Steuersatz von 0,5 bis 1,0 Prozent gelten.
Nur: Wenn man die jährliche Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer (ein Mal in 30 Jahren) bei wirklich Reichen – jenseits der zehn Millionen Euro – addiert, kommt man im Extremfall in einer Generation auf einen Steuersatz von 65 Prozent.
Am Montagabend sagte Foglar zum KURIER: „Es gibt seitens des ÖGB die Bereitschaft, über jeden Vorschlag vermögensbezogene Steuern einzuführen, offen zu diskutieren.“ Der ÖGB habe „ein eigenes Modell bereits 2013 vorgelegt, aber uns ist wichtig, dass es zu einer Entlastung der Arbeitnehmer und Pensionisten kommt und zu mehr Verteilungsgerechtigkeit. Mit welchem Vermögenssteuer-Modell, ist jetzt zu verhandeln.“
Jetzt geht’s ans Eingemachte: Am Dienstag übergibt die Expertengruppe ihren 200-Seiten-Bericht zur Steuerreform an die Regierung. Ab Mittwoch wird verhandelt.
Dem SPÖ-Team gehören Kanzler Werner Faymann, Klubchef Andreas Schieder und die Landeshauptleute Michael Häupl und Hans Niessl an. Auf ÖVP-Seite sitzen Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Finanzminister Hans Jörg Schelling sowie die Länderchefs Josef Pühringer und Markus Wallner.
Vier Monate sind nun Zeit, um eine Steuerreform zu konzipieren. Die Polit-Spitzen haben sich den 17. März als Deadline gesetzt. Zu tun gibt es genug: Denn die Experten haben sich in vielen Punkten nicht geeinigt, nun ist die Politik am Zug. Wo es hakt – und wo es Überschneidungen gibt:
Steuertarife
Die Modelle von SPÖ und ÖVP divergieren. Übereinstimmung herrscht darin, dass der Eingangssteuersatz auf 25 Prozent gesenkt werden soll. Die SPÖ will die Lohnsteuer in Summe um 5,9 Millionen Euro reduzieren, die ÖVP um 3,6 Millionen. Der Höchststeuersatz soll ab 80.000 Euro (SPÖ) bzw. 100.000 Euro greifen.
Vermögenssteuer
Die SPÖ ist dafür, die ÖVP dagegen.
Betrugsbekämpfung
Beide Parteien wollen in diesem Bereich eine Milliarde lukrieren – allerdings auf unterschiedliche Weise. Die Roten wollen eine Registrierkassenpflicht. Die Schwarzen wollen v. a. grenzüberschreitenden Steuerbetrug stärker bekämpfen.
Umsatzsteuer
Die Experten konnten sich nicht einigen, welche derzeit nur mit zehn Prozent besteuerten Produkte künftig höher belastet werden sollen. Nur die roten Fachleute legten sich fest (Pflanzen, Futtermittel, Tiere, Saatgut, Kultur-Tickets etc.). Sie wollen damit 400 Millionen Euro aufbringen.
Familien
Die ÖVP möchte die Familien laut Experten-Papier um 1,1 Millionen Euro entlasten, laut Parteispitze um 400 Millionen. Die SPÖ strebt einen Kinderbildungsbonus (150 Millionen) an.
Steuerausnahmen
Experten sind dafür, Begünstigungen zu streichen oder zu kürzen: z. B. Dienstautos, Werbungspauschalen, Überstundenzuschläge, diverse Freibeträge.
Wirtschaft
Die ÖVP will vor allem die Lohnnebenkosten senken, die SPÖ bremst.