Politik/Inland

Spardruck: Richterchefs nehmen Kanzler Kurz in die Pflicht

Wenn sich die Präsidenten aller vier Oberlandesgerichte ( OLG) zusammentun, um öffentlich die Regierung zu rügen, muss etwas Gravierendes vorgefallen sein. "Wir sind keine Politiker", schickt der Präsident des Wiener OLG Gerhard Jelinek voraus. "Wir sehen uns als Manager, wir arbeiten mit den Mitteln, die wir bekommen." Angesichts der „unverantwortlichen Sparpolitik“, die sich bei der Justiz abzeichnet, sei ein Aufschrei in dieser Form aber nötig, erklärten die „Justiz-Manager“ am Donnerstag.

Worum geht’s? Das Justiz-Ressort hat heuer 1,58 Milliarden Euro zur Verfügung, da aber Bereiche wie die Datenschutzbehörde dazugekommen sind, wird umgeschichtet und bei den Gerichten gekürzt. In der Verwaltung bzw. in den Kanzleien (bis 2019 rund 200 Stellen) ist die Justiz das seit den 1990er-Jahren gewohnt, erstmals werden heuer aber auch Richter- und Staatsanwaltsposten gestrichen, 42 an der Zahl. Aktuell stehen 60 Richteramtsanwärter mit abgeschlossener Ausbildung am Abstellgleis, bei Pensionierungen wird seltener nachbesetzt.

Die Folgen des Sparkurses? „Dramatisch“, sagt die Linzer OLG-Präsidentin Katharina Lehmayer: Verfahren werden sich „zwangsläufig“ verzögern, die Qualität der Urteile werde leiden. Und: „Es bleibt weniger Zeit für die Anliegen der Bürger.“

Die Sparpläne sind für die OLG-Präsidenten auch deshalb so irritierend, weil die Gerichte bei jährlich 2,8 Millionen Erledigungen durch Gerichtsgebühren mehr erwirtschaften als sie ausgeben: Einnahmen von 1,26 Milliarden Euro stehen Ausgaben von 812 Millionen Euro gegenüber, rechnet der Innsbrucker OLG-Chef Klaus Schröder vor.

„Man könnte den Verdacht bekommen“, sagt er, „dass versucht wird, eine Justiz an die Kandare zu nehmen, die eben nicht dem politischen Einfluss von Regierung oder Parteien unterstellbar ist.“

„Wollen keine Almosen“

Die Regierung könnte jetzt den Gegenbeweis antreten und das Justizbudget nachverhandeln. Da seien nicht nur ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger und FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache gefragt – man appelliere auch an Bundeskanzler Sebastian Kurz, sagt Schröder: „Als Regierungschef ist er verantwortlich für das Funktionieren des Rechtsstaates.“

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Und der Tiroler merkt spitz an: „Man kann sich die Frage stellen, warum es in anderen Ressorts Sonderbudgets gibt. Wir wollen keine Almosen, wir wollen nur nicht, dass man uns etwas wegnimmt, das wir selbst erwirtschaften und auch brauchen.“

Anstelle der Angesprochenen reagierte am Donnerstagabend Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal: Es sei der Regierung ein Anliegen, dass die Funktionsfähigkeit gewährleistet bleibe und es gebe keine Kürzungen bei den Richter planstellen . Zur Erklärung: die zitierten 42 Stellen gelten als „Reserven“, die nach Bedarf genutzt werden, nicht als Planstellen.

Rechtsanwälte halten zu Richtern

Unterstützung bekommen die OLG-Präsidenten von der Rechtsanwaltskammer, deren Präsident Rupert Wolff sich in den vergangenen Tagen bereits für die Forderungen der Standesvertreter ausgesprochen hatte. „Die Regierung erschwert den Bürgern den Zugang zum Recht. Einsparungen bei der Rechtsstaatlichkeit gehen letztlich immer auf Kosten der rechtsuchenden Bürger“, kritisierte ÖRAK-Präsident Rupert Wolff den Budgetentwurf 2018/19.

Es sei zwar notwendig, die Gebührenlast abzubauen, wie es auch im Regierungsprogramm vorgesehen ist - „nicht aber die Personaldeckung“. Eine Personalreduktion in der Justiz hätte „verheerende Folgen“, warnt Wolff gegenüber der APA.

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