Druck auf Werner Faymann wächst
Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht ein prominenter Landesschwarzer die Bundespartei und die Regierung kritisiert. Rote hielten sich mit Schelte für die eigene Spitze und die Koalition bisher zurück. Dabei gärt es in der Partei gewaltig. Einer der Gründe: Die Sorge, dass Frontmann Werner Faymann wieder einmal vor der ÖVP in die Knie geht. Diesmal in Sachen Vermögenssteuern. Wie vom KURIER berichtet könnte ein Kompromiss zwischen der "Keine neuen Steuern"-ÖVP und der "Vermögende müssen stärker belastet werden"-SPÖ so ausschauen: Die Kapitalertragssteuer wird von 25 auf 30 Prozent erhöht, die Grundsteuer könnte ebenfalls steigen.
Für die rote Basis kommt das offenbar nicht in Frage, wie ein Rundruf des KURIER bei Funktionären aus den Ländern ergeben hat.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Grundsteuererhöhung und eine KESt-Erhöhung akzeptabel sind, weil wir damit Hausbesitzer und kleine Pensionisten auch belasten. Damit verfehlt dieser Vorschlag das Ziel", sagt etwa Bau-Holz-Gewerkschafter und Nationalratsmandatar Josef Muchitsch.
Das befindet auch der neue Wiener SPÖ-Landesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler: "Mit einer höheren Kapitalertragssteuer würden die kleinen Sparer getroffen. Die Großvermögenden würden wieder Mittel und Wege finden, diese Steuer zu umgehen. Das kann es nicht sein." Der oberösterreichische SPÖ-Landesgeschäftsführer Peter Binder sagt: "An zwei Steuerschrauben zu drehen, wäre nicht das, wofür wir angetreten sind. Das Steuersystem muss gerechter werden. Vermögende müssen mehr beitragen." Junge Rote warnen Parteiboss Faymann: "Es darf kein schwindeliger Kompromiss zwischen SPÖ und ÖVP herauskommen", sagt SJ-Chefin Julia Herr. Ihr Vorgänger Wolfgang Moitzi stellt klar:
"Es muss Substanzielles her, eine neuerliche Erbschafts- und Schenkungssteuer. Einen faulen Kompromiss mit der ÖVP darf es nicht geben."
"Gesudere" Einzelner, wie Ex-SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer Kritik von Parteifreunden einst abqualifizierte, ist das nicht. "An der Basis kocht die Stimmung", sagt Jung-Sozialdemokratin Herr. Das werde sich auch auf dem Parteitag im Herbst zeigen. Im November will Faymann dort erneut zum Parteichef gewählt werden.
Bis dahin wird der Druck auf ihn weiter steigen. Am 18. September präsentiert der ÖGB sein Steuerreform-Konzept samt Gegenfinanzierung – Vermögenssteuern inklusive. Zudem wird die "Lohnsteuer runter!"-Kampagne (siehe unten; derzeit haben schon rund 350.000 Bürger dafür unterschrieben) forciert.
Weder Gewerkschafter noch andere Rote würden diesmal das Argument gelten lassen, das sie schon oft gehört haben, sagen Insider: Er hätte ja mehr wollen, mit der ÖVP sei das aber nicht zu machen gewesen. Moitzi spricht aus, was viele in der SPÖ denken: "Die Delegierten erwarten dass das, was wir seit Jahren auf Plakate schreiben, umgesetzt wird." Andernfalls könnte es für Faymann ungemütlich werden. Ein schlechtes Wahlergebnis beim Parteitag könnte das Ende seiner Ära einläuten.
Das könnte ein gutes Geschäft werden: 1,2 Millionen Mitglieder hat der Gewerkschaftsbund. 1,6 Euro pro Mitglied oder in Summe zwei Millionen Euro gibt der ÖGB für eine riesige Steuersenkungskampagne aus.
Wird das Ziel erreicht, kommt das Tausendfache zurück. Die Rechnung ist simpel: Sinkt 2015 der Eingangssteuersatz wie gefordert von 36,5 auf 25 Prozent, bedeutet dies bei einem Jahreseinkommen von beispielsweise 25.000 Euro eine Steuerentlastung um 1610 Euro. Dafür lohnt es sich, die Werbetrommel zu rühren. ÖGB-Präsident Erich Foglar will das über den Sommer tun und nicht bis zum Herbst warten, weil das Entlastungsthema derart unter den Nägeln brenne. Relativ bescheidene 500.000 Unterschriften hat sich Foglar vorgenommen, schon am ersten Tag trudelten 23.000 ein. Sicherheitshalber bittet Foglar NGOs, Interessensvertretungen, Glaubensgemeinschaften und andere potenzielle Sympathisanten um Unterstützung.
Forderungen
Unter www.lohnsteuer-runter.at wurden Daten zusammengetragen, die die Dringlichkeit der Forderungen untermauern sollen. Zum Beispiel der überproportionale Anstieg der Lohnsteuer um 56 Prozent auf 32 Milliarden bis 2018. Dazu trägt zwar das gewollte Beschäftigungswachstum bei, aber auch die kalte Progression und Brutto-Lohnabschlüsse, bei denen der Finanzminister mitschneidet, also netto wenig übrig bleibt. Daher sagt Foglar: "Wir wollen nicht länger für den Finanzminister Lohn verhandeln." Die letzte Steuersenkung 2009 sei nach zwei Jahren verpufft gewesen.
Das Thema Millionärssteuer wird momentan nicht breitgetreten. Erst Mitte September soll das ÖGB/AK-Steuerkonzept mit allen Details – von der Negativsteuer für Kleinstverdiener bis zu einer Vermögenssteuer für Superreiche – präsentiert werden.