Sebastian Kurz: "Ich habe mit Herbert Kickl keine offene Rechnung"
Von Johanna Hager
Ex-ÖVP- und Regierungschef Sebastian Kurz meldet sich nach längerer Absenz wieder zu Wort. Erst am Wochenende in der Schweizer Blick, die er wissen lässt "Diese Debattenkultur ist das wahre Problem Europas", dann am Montag in Wien.
Im C3-Business-Talk stellt er sich eine Stunde lang den Fragen Thomas Prantner vor Publikum. Und über 120 Gäste wollen wissen, was der dereinst jüngste Außenminister aller Zeiten und erste Kanzler der nun zu Ende gehende türkis-grüne Koalition über selbige denkt.
Zur Erinnerung: Kurz führt die ÖVP-FPÖ-Koalition von Dezember 2017 bis Mai 2019 als Kanzler an und die türkis-grüne Regierung von Jänner 2020 bis Oktober 2021 ehe er wegen Korruptionsverdachts von allen politische Ämtern zurücktritt. Im Februar 2024 wird er erstinstanzlich wegen Falschaussage im U-Ausschuss zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt.
Zu Beginn wird Kurz‘ Lebenslauf abgespielt – und er erntet einen Lacher für seine Replik "den Landtag hab‘ ich schon vergessen gehabt“.
Ehe es im Gespräch um die Vergangenheit gehen wird, spricht Kurz über sein Leben als Unternehmer seit 2022. Erst Engagement bei Peter Thiel, dann bei Shalev Hulio (NSO-Gründer der "größten Offensiv-Cyberware“, wie Kurz ihn beschreibt). So weit, so bekannt.
Die Firma, die er mit Hulio in Israel gründete „ist mein bestes Pferd im Stall“, so Kurz. Die Situation in Israel sei „sehr angespannt“, das Land aber „sehr resilient“. Fest macht Kurz das u.a. anderem daran, dass wenige Wochen nach Kriegsbeginn wieder eine Form von Alltag möglich war.
„Der Krieg ist hoffentlich bald vorbei. Ich bin optimistisch, dass es zu einer Zwei-Staaten-Lösung kommt“, so der Ex-Außenminister. Die schwierigste Frage sei: „Wer managed Gaza?“ Den Namen von Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nimmt Kurz nicht in den Mund.
Altes & Blockdenken
Dafür spricht er weiter über Außenpolitisches und einen anderen Krisenherd der Welt: Russland. „Es ist zu einfach, die Sanktionen zu kritisieren. Ich hoffe auf Verhandlungen und Formate, bei denen alle Parteien an einem Tisch sitzen, das Blockdenken reduziert wird.“
Er habe einen anderen Zugang zu Russland. „Gott sei Dank spricht man mit Russland“, sagt Kurz, „die Abkapslung vom Rest der Welt ist der falsche Zugang.“
Der EU attestiert der Ex-Kanzler: „Es wird vieles beim Alten bleiben.“ Anders bei der Migrationspolitik: „Es ist einfach irre. Das System kann so nicht funktionieren.“ Im Wettbewerb zwischen den USA, China und Europa wären die Vereinigten Staaten klar im Vorteil. „Europa ist gut beraten, einen eigenständigen Weg zu gehen – mit einer wirtschaftlichen Offenheit gegenüber anderen Teilen der Welt.“
Verschlossen gibt sich Kurz bei der Frage nach der EU-Kommission und einem potenziellen Kommissar-Kandidaten. Einen Namen nennen will er nicht. „So eine Entscheidung muss ich nicht mehr treffen.“
"Habe mit Kickl keine offenen Rechnungen"
Seine Bilanz der 10 Jahre: „Ich habe ziemlich alles erlebt, was man erleben kann. Ich habe es ausgekostet und es immer sehr gerne gemacht. Es gab bessere und schlechtere Phasen.“ Und: „Die Koalition mit der FPÖ hat sehr gut funktioniert. In relativ kurzer Zeit ist sehr viel gelungen, was gut ist fürs Land. Dann kam es, wie es gekommen ist. Die Koalition mit den Grünen war wesentlich schwieriger.“
In der türkis-blauen Koalition hätte er gerne weitergemacht. Aus dem Ibiza-Video, das zum Koalitions-Aus führte, „hätte man ganz andere Minuten herausschneiden können." Auf Herbert Kickl angesprochen, der damals Innenminister war und heute FPÖ-Chef ist, sagt Kurz: "Ich habe keine offenen Rechnungen und Themen mit ihm.“
An innenpolitischen Diskussionen will er sich nicht beteiligen. „Ich bin nicht am Spielfeld“, sagt Kurz. „Ich brauche nichts von den handelnden Akteuren und ich habe auch nichts gegen sie.“